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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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seine Freude an der eigenen Redekunst; er hob die Stimme immer mehr und musterte Iwan spöttisch, aber er konnte nicht zu Ende sprechen: Iwan ergriff plötzlich ein auf dem Tisch stehendes Glas und warf es mit starkem Schwung nach dem Redner.
    »Ah, mais c'est bête enfin!« rief der Besucher, sprang vom Sofa auf und klopfte sich mit den Fingern die angespritzten Teetropfen ab! »Luthers Tintenfaß ist dir eingefallen. Hält der Mensch mich für einen Traum und wirft nach dem Traum mit Gläsern! Das ist Weibermanier! Ich hatte mir schon gedacht, daß du nur so tatest, als hieltest du dir die Ohren zu. Du hast aber doch gehört ...«
    Auf einmal ließ sich von draußen ein energisches, anhaltendes Klopfen gegen den Fensterrahmen vernehmen. Iwan Fjodorowitsch fuhr auf.
    »Weißt du, öffne lieber!« rief der Gast! »Das ist dein Bruder Aljoscha mit einer sehr interessanten, unerwarteten Nachricht, dafür bürge ich dir!«
    »Schweig, du Betrüger! Ich habe früher als du gewußt, daß es Aljoscha ist. Ich habe sein Kommen geahnt; und natürlich kommt er nicht ohne Grund; natürlich bringt er eine Nachricht!« rief Iwan außer sich.
    »So mach ihm doch auf! Draußen tobt ein Schneesturm, und er ist dein Bruder. Monsieur sait-il le temps qu'il fait? C'est à ne pas mettre un chien dehors ..! »
    Das Klopfen dauerte an. Iwan wollte zum Fenster stürzen, aber ihm war, als seien ihm Beine und Arme gefesselt. Er strengte sich aus aller Kraft an, um seine Fesseln zu zerreißen – vergebens. Das Klopfen am Fenster wurde immer stärker und lauter. Endlich zerrissen plötzlich die Fesseln, und Iwan Fjodorowitsch sprang vom Sofa auf. Er blickte verstört um sich. Die beiden Lichter waren fast völlig heruntergebrannt, das Glas, mit dem er eben nach seinem Gast geworfen hatte, stand vor ihm auf dem Tisch, und auf dem Sofa gegenüber saß niemand! Das Klopfen am Fenster dauerte zwar beharrlich fort, doch durchaus nicht so laut, wie es ihm soeben im Traum vorgekommen war, sondern vielmehr sehr maßvoll.
    »Das war kein Traum! Nein, ich schwöre es, das war kein Traum – das war Wirklichkeit!« rief Iwan Fjodorowitsch, stürzte zum Fenster und öffnete die Luftklappe! »Aljoscha? Ich habe dir doch verboten herzukommen!« schrie er seinen Bruder zornig an! »Sag in zwei Worten, was willst du? In zwei Worten, hörst du?«
    »Vor einer Stunde hat sich Smerdjakow erhängt«, antwortete Aljoscha von draußen.
    »Komm an die Haustür, ich mache dir sofort auf!« sagte Iwan und ging, Aljoscha hereinzulassen.

10. »Das hat er gesagt!«
    Als Aljoscha hereingekommen war, teilte er seinem Bruder mit, vor einer guten Stunde sei Marja Kondratjewna zu ihm in die Wohnung gekommen mit der Nachricht, daß Smerdjakow sich das Leben genommen habe! »Ich ging zu ihm hinein, den Samowar holen, da hing er an der Wand an einem Nagel,« Auf Aljoschas Frage, ob sie das schon an der entsprechenden Stelle angezeigt habe, hatte sie geantwortet, sie habe es nicht angezeigt! »Ich bin gleich zu Ihnen gestürzt und den ganzen Weg gerannt!« Aljoscha berichtete, sie sei wie irrsinnig gewesen und habe am ganzen Körper gezittert. Als er mit ihr zusammen zu ihrem Häuschen gelaufen war, hatte er Smerdjakow noch immer hängend gefunden. Auf dem Tisch lag ein Zettel: »Ich vernichte mein Leben nach meinem eigenen Wunsch und Willen, um niemand zu beschuldigen,« Aljoscha hatte den Zettel auf dem Tisch liegengelassen, war direkt zum Bezirkshauptmann gegangen und hatte ihm Anzeige erstattet! »Und von dort bin ich geradewegs zu dir gekommen«, schloß Aljoscha und sah seinen Bruder unverwandt an. Auch die ganze Zeit, während er erzählte, hatte er die Augen nicht von ihm abgewandt, als ob ihm etwas an Iwans Gesicht stark auffiel.
    »Bruder«, rief er plötzlich, »du bist sicher sehr krank! Du siehst mich an und scheinst nicht zu verstehen, was ich sage.«
    »Das ist gut, daß du gekommen bist«, sagte Iwan gedankenverloren, als hätte er Aljoschas Ausruf gar nicht gehört! »Ich habe es gewußt, daß er sich erhängt hat.«
    »Von wem denn?«
    »Ich weiß nicht, von wem. Aber ich habe es gewußt. Habe ich es gewußt? Ja, er hat es mir gesagt. Er hat es mir soeben schon gesagt ...«
    Iwan stand mitten im Zimmer und sprach noch immer genauso in Gedanken versunken, den Blick gesenkt.
    »Wer ist das – er?« fragte Aljoscha und schaute sich unwillkürlich um.
    »Er hat sich davongemacht.«
    Iwan hob den Kopf und lächelte leise.
    »Er hat vor dir Angst bekommen, vor

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