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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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dir, du Taube. Du bist ein ›reiner Cherub‹, Dmitri nennt dich einen Cherub. Die Cherubim ... Der donnernde Jubelruf der Seraphim! Was ist das, ein Seraph? Vielleicht ein ganzes Sternbild? Aber vielleicht ist ein ganzes Sternbild nur ein chemisches Molekül ... Gibt es ein Sternbild des Löwen und der Sonne, weißt du das nicht?«
    »Bruder, setz dich hin!« sagte Aljoscha erschrocken! »Um Gottes willen, setz dich aufs Sofa! Du fieberst, leg dich auf das Kissen, siehst du, so! Willst du ein nasses Handtuch auf den Kopf? Vielleicht wird dir dann besser?«
    »Ja, gib mir das Handtuch! Dort auf dem Stuhl, da habe ich es vorhin hingeworfen.«
    »Da ist es nicht. Aber beunruhige dich nicht, ich weiß, wo es liegt. Da ist es«, sagte Aljoscha, der in einer anderen Ecke des Zimmers auf Iwans Waschtisch ein noch sauberes, zusammengefaltetes, ungebrauchtes Handtuch gefunden hatte.
    Iwan sah das Handtuch sonderbar an. Für einen Augenblick schien ihm die Besinnung zurückzukehren.
    »Warte mal ...«, sagte er und stand vom Sofa auf! »Ich habe vor einer Stunde dieses Handtuch von derselben Stelle genommen und mit Wasser befeuchtet. Ich legte es mir auf den Kopf und warf es dann hin ... Wie kann es denn jetzt trocken sein? Ein anderes ist nicht dagewesen.«
    »Du hattest dieses Handtuch auf dem Kopf?« fragte Aljoscha.
    »Ja, und ich bin im Zimmer auf und ab gegangen, vor einer Stunde ... Wie kommt es, daß die Lichter so weit heruntergebrannt sind? Wie spät ist es?«
    »Bald zwölf.«
    »Nein, nein, nein!« schrie Iwan plötzlich ..! »Das war kein Traum! Er ist dagewesen, er hat hier gesessen, da, auf dem Sofa. Als du ans Fenster klopftest, hatte ich gerade mit dem Glas nach ihm geworfen ... Mit diesem Glas hier ... Warte mal, ich habe auch früher geschlafen und geträumt, aber dieser Traum war kein Traum. Es ist auch schon früher vorgekommen. Ich habe jetzt manchmal Träume, Aljoscha ... Nein, es sind ja keine Träume, ich bin wach! Ich gehe, rede und gehe ... Aber ich schlafe. Er hat hier gesessen, er ist hiergewesen. Da, auf diesem Sofa hat er gesessen ... Er ist furchtbar dumm, Aljoscha, furchtbar dumm!« Iwan lachte plötzlich auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen.
    »Wer ist dumm? Von wem sprichst du, Bruder?« fragte Aljoscha wieder besorgt.
    »Der Teufel. Er kommt jetzt oft zu mir. Zweimal ist er schon dagewesen, sogar fast dreimal. Er zog mich auf, ich sei verärgert darüber, daß er nur als einfacher Teufel zu mir kommt und nicht als Satan mit versengten Flügeln, unter Donner und Blitz. Aber er ist nicht der Satan, da lügt er. Er maßt sich einen fremden Namen an. Er ist ein einfacher Teufel, ein jämmerlicher, unbedeutender Teufel. Er geht in die Badestube. Wenn man ihn auskleidet, findet man sicherlich einen Schwanz, einen langen, glatten Schwanz wie bei einer dänischen Dogge, eine Elle lang, dunkelbraun ... Aljoscha, du bist wohl ganz durchgefroren, du bist im Schneegestöber gewesen, willst du Tee? Was? Er ist kalt? Soll ich den Samowar aufstellen lassen? C'est à ne pas mettre un chien dehors ...«
    Aljoscha lief schnell zum Waschtisch, befeuchtete ein Handtuch, überredete Iwan, sich wieder hinzusetzen, und legte ihm das feuchte Handtuch auf den Kopf. Er selbst setzte sich neben ihn.
    »Was hast du mir vorhin über Lisa gesagt?« begann Iwan wieder; er war sehr redselig geworden! »Lisa gefällt mir. Ich habe über sie etwas Häßliches gesagt. Ich habe gelogen, sie gefällt mir ... Ich fürchte morgen für Katja, für sie am allermeisten. Wegen der Zukunft. Sie wird mich morgen fallenlassen und mit Füßen treten. Sie glaubt, ich würde Mitja zugrunderichten, weil ich ihretwegen auf ihn eifersüchtig sei! Ja, das glaubt sie! Aber es ist nicht so! Morgen kommt das Kreuz, aber nicht der Galgen. Nein, ich werde mich nicht erhängen. Weißt du, ich werde niemals fertigbringen, mir das Leben zu nehmen, Aljoscha! Aus Gemeinheit, nicht wahr? Aber ich bin nicht feige. Vielleicht aus Gier zu leben! Woher wußte ich, daß Smerdjakow sich erhängt hat? Ja, er hatte es mir gesagt ...«
    »Bist du fest davon überzeugt, daß jemand hier gesessen hat?« fragte Aljoscha.
    »Dort auf dem Sofa in der Ecke. Du hättest ihn vertrieben, wenn du früher gekommen wärst. Aber du hast ihn auch wirklich vertrieben; als du erschienst, verschwand er. Ich liebe dein Gesicht, Aljoscha. Hast du das gewußt, daß ich dein Gesicht liebe? Er, das bin ich, Aljoscha, ich selbst. Alles, was an mir niedrig, gemein und

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