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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Publikums.
    Darauf erging es fast allen gefährlichen Zeugen ebenso. Jedem von ihnen konnte Fetjukowitsch einen moralischen Schmutzfleck anhängen, und den Betreffenden ein bißchen blamiert entlassen. Die Juristen und sonstigen Liebhaber von Kriminalprozessen verfolgten das mit Vergnügen, begriffen nur nicht, zu welchem großen entscheidenden Schlag das alles dienen sollte. Denn alle fühlten die Unwiderlegbarkeit der immer mehr und immer tragischer sich steigernden Beschuldigung. Aber sie sahen an dem Selbstvertrauen des »großen Magiers«, daß er ganz ruhig war. So warteten sie ab – ein solcher Mann konnte doch nicht umsonst aus Petersburg hierhergekommen sein: Er war doch wohl nicht der Mann, der unverrichteter Sache zurückkehren würde.

3. Die medizinischen Gutachten und ein Pfund Nüsse
    Die Gutachten der ärztlichen Sachverständigen hatten ebenfalls nicht die Auswirkung, die Sache des Angeklagten günstig zu gestalten. Auch Fetjukowitsch schien, wie sich später herausstellte, auf diese Gutachten nicht sehr gebaut zu haben. Daß sie abgegeben wurden, geschah im Grunde nur auf Katerina Iwanownas Drängen, die speziell jenen berühmten Arzt aus Moskau hatte kommen lassen. Die Verteidigung konnte dadurch natürlich nichts verlieren, günstigenfalls wohl eher etwas gewinnen. Übrigens gestaltete sich die Sache wegen der Meinungsverschiedenheit der Ärzte zum Teil ein wenig komisch. Als Sachverständige waren erschienen: der berühmte Arzt aus Moskau, dann unser Doktor Herzenstube und endlich der junge Arzt Warwinski. Die beiden letzteren figurierten auch einfach als vom Staatsanwalt vorgeladene Zeugen. Als erster wurde in seiner Eigenschaft als Sachverständiger Doktor Herzenstube befragt. Er war ein alter Mann von siebzig Jahren, grauhaarig und kahlköpfig, von mittlerer Größe und kräftigem Körperbau. Bei uns in der Stadt schätzte und achtete man ihn sehr. Er war ein gewissenhafter Arzt und ein prächtiger, gottesfürchtiger Mensch, so etwas wie ein Herrnhuter oder Mährischer Bruder – genau weiß ich das nicht mehr. Er lebte schon sehr lange bei uns und führte einen anständigen Lebenswandel. Er war gut und menschenfreundlich, behandelte die armen Patienten und die Bauern umsonst, ging selbst in ihre elenden Kämmerchen und Hütten und ließ ihnen Geld für Arznei zurück; dabei war er jedoch eigensinnig wie ein Maultier. Ihn von einer Idee abzubringen, wenn sie sich einmal in seinem Kopf festgesetzt hatte, war ein Ding der Unmöglichkeit. Übrigens war es schon weithin in der Stadt bekannt geworden, daß sich der zugereiste berühmte Arzt in den zwei, drei Tagen seines Aufenthalts bei uns mehrere höchst beleidigende Äußerungen über die Befähigung von Doktor Herzenstube erlaubt hatte. Die Sache war die: Der Moskauer Arzt nahm zwar für einen Besuch nicht weniger als fünfundzwanzig Rubel, dennoch freuten sich manche Leute in unserer Stadt über den Zufall, der ihn zu uns geführt hatte, ließen sich das Geld nicht leid tun und bestürmten ihn mit Bitten um seinen Rat. Alle diese Kranken hatte vor ihm natürlich Doktor Herzenstube behandelt, und nun kritisierte der berühmte Arzt überall dessen Heilmethode mit großer Schärfe. Zuletzt fragte er sogar, sobald er zu einem Kranken kam, geradezu: »Nun, wer hat denn an Ihnen herumgepfuscht? Herzenstube? Hehe!« Natürlich erfuhr Doktor Herzenstube das alles wieder. Und nun erschienen also alle drei Ärzte, um einer nach dem anderen vernommen zu werden. Doktor Herzenstube erklärte unumwunden, »die Abnormität der geistigen Fähigkeiten« des Angeklagten liege »auf der Hand«. Nachdem er seine Erwägungen vorgetragen hatte, die ich hier weglasse, fügte er hinzu, diese Abnormität äußere sich nicht nur in vielen früheren Handlungen des Angeklagten, sondern auch jetzt, sogar in diesem Augenblick; und als man ihn ersuchte zu erklären, worin sie sich jetzt, in diesem Augenblick äußere, verwies der alte Arzt mit seiner ganzen Geradheit und Offenherzigkeit auf das ungewöhnliche und in Anbetracht der Umstände verwunderliche Benehmen des Angeklagten, als er in den Saal getreten war. »Er schritt vorwärts wie ein Soldat und starrte vor sich hin, während es doch für ihn natürlicher gewesen wäre, nach links zu sehen, wo die Damen sitzen, denn er ist ein großer Liebhaber des schönen Geschlechts gewesen und mußte sehr viel daran denken, was wohl jetzt die Damen von ihm sagen möchten«, schloß der Alte in seiner eigentümlichen Redeweise.

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