Die Brueder Karamasow
der Herr hat in Polen Bauernmädchen gesehen, aber keine vornehmen Damen«, bemerkte der Herr mit der Pfeife, zu Gruschenka gewandt.
»Wie kannst du dich um so was überhaupt kümmern?« warf der lange Herr auf dem Stuhl kurz und verächtlich ein.
»Auch das noch! So lassen Sie ihn doch reden! Wenn Leute reden wollen, wozu soll man sie stören? Mit solchen Leuten zusammen sein macht Spaß!« bemerkte Gruschenka in scharfem Ton.
»Ich störe niemand, Pani«, sagte der Herr mit der Perücke mit einem langen Blick auf Gruschenka bedeutsam; dann schwieg er würdevoll und begann wieder an seiner Pfeife zu ziehen.
»Aber nein, nein, was der polnische Herr da eben gesagt hat, ist ganz richtig«, ereiferte sich nun wieder Kalganow, als ob es sich um wer weiß wie wichtige Dinge gehandelt hätte. »Er ist ja gar nicht in Polen gewesen, wie kann er da über Polen reden? Sie haben doch gar nicht in Polen geheiratet, wie?«
»Nein, im Gouvernement Smolensk. Nur hatte sie ein Ulan schon vorher aus Polen, aus dem eigentlichen Polen, mitgebracht, das heißt meine künftige Gattin und ihre Frau Mutter und ihre Tante und noch eine Verwandte mit einem erwachsenen Sohn ... Und der trat sie mir ab. Es war ein Leutnant, ein sehr hübscher junger Mann. Anfangs hatte er sie selbst heiraten wollen, aber er tat es dann doch nicht, weil es sich herausstellte, daß sie lahm war ...«
»Da haben Sie also eine Lahme geheiratet?« rief Kalganow.
»Allerdings. Die beiden hatten mich damals ein bißchen hinters Licht geführt. Ich dachte, sie hätte so einen hüpfenden Gang ... Sie hüpfte immer, und ich dachte, aus Munterkeit ...«
»Aus Freude darüber, daß sie Ihre Frau werden sollte?« rief Kalganow mit kindlich heller Stimme.
»Jawohl, aus Freude. Aber es ergab sich, daß das eine ganz andere Ursache hatte. Später, gleich am Abend nach der Trauung, gestand sie es mir und bat mich sehr gefühlvoll um Verzeihung. Sie sagte, sie sei als Kind einmal über eine Pfütze gesprungen und habe sich dabei den Fuß beschädigt, hihi!«
Kalganow brach in ein lautes echtes Kinderlachen aus und fiel fast auf das Sofa. Auch Gruschenka lachte. Mitja befand sich auf dem Gipfel der Glückseligkeit.
»Wissen Sie, wissen Sie, jetzt sagt er aber die Wahrheit, jetzt lügt er nicht«, rief Kalganow, zu Mitja gewandt. »Wissen Sie, er ist zweimal verheiratet gewesen; was er da erzählt hat, bezieht sich auf seine erste Frau. Seine zweite Frau ist ihm nämlich davongelaufen und lebt heute noch, wissen Sie das?«
»Na, so etwas!« rief Mitja und sah mit größtem Erstaunen zu Maximow.
»Ja, sie ist mir davongelaufen, diese Unannehmlichkeit ist mir passiert«, bestätigte Maximow bescheiden. »Mit so einem Monsieur. Aber die Hauptsache war, sie hatte gleich von vornherein mein ganzes Gut auf ihren Namen umschreiben lassen. ›Du bist ein gebildeter Mann‹, hatte sie zu mir gesagt, ›du wirst auch so dein Brot finden können.‹ Dadurch brachte sie mich in die Tinte. Ein verehrter Bischof hat einmal zu mir gesagt: ›Deine erste Frau war lahm und die zweite gar zu leichtfüßig.‹ Hihi!«
»Hören Sie nur, hören Sie nur!« rief Kalganow richtiggehend begeistert. »Wenn er auch schwindelt, und er schwindelt oft, so tut er es doch einzig und allein, um allen ein Vergnügen zu bereiten, das ist nicht gemein, das ist nicht gemein! Wissen Sie, manchmal mag ich ihn recht gern. Er ist gemein; aber er ist es von Natur, nicht? Wie denken Sie darüber? Ein anderer handelt gemein zu irgendwelchem Zweck, um dadurch einen Vorteil zu erlangen, aber er tut es ganz einfach, weil das seine Natur ist ... Stellen Sie sich zum Beispiel vor, gestern hat er sich mit mir auf dem ganzen Weg gestritten und behauptet, Gogol 55 habe in den ›Toten Seelen‹ etwas über ihn geschrieben. Sie erinnern sich wohl, da kommt ein Gutsbesitzer Maximow vor, den Nosdrjow auspeitschen ließ, wofür er auch gerichtlich belangt wurde, ›weil er in betrunkenem Zustand dem Gutsbesitzer Maximow eine tätliche Beleidigung durch Auspeitschen mit Ruten zugefügt hatte‹ – na. Sie werden sich wohl an die Stelle erinnern! Und stellen Sie sich vor, nun behauptet er, das sei er gewesen, er sei ausgepeitscht worden! Na, ist das überhaupt möglich? Tschitschikow hat seine Reise spätestens in den zwanziger Jahren gemacht, so daß die Zeitrechnung absolut nicht stimmt. Unser Maximow konnte damals nicht ausgepeitscht werden. Das war doch nicht möglich, nicht wahr?«
Es war schwer zu sagen, warum
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