Die Brueder Karamasow
freue ich mich, Mitja, hörst du das? Ich will, daß er bei uns sitzt«, wandte sie sich gebieterisch an alle, obgleich ihre Worte offenbar nur dem Mann auf dem Sofa galten. »Ich will es, ich will es! Und wenn er weggeht, gehe ich auch weg! So steht die Sache!« fügte sie hinzu, und ihre Augen funkelten.
»Was meine Königin befiehlt, ist Gesetz!« sagte der Pan und küßte ihr galant die Hand. »Ich bitte den Herrn, sich unserer Gesellschaft anzuschließen!« wandte er sich liebenswürdig an Mitja.
Mitja sprang wieder auf, und es hatte durchaus den Anschein, als wollte er noch eine exaltierte Rede halten; doch es kam anders.
»Trinken wir, Panie!« rief er kurz statt einer Rede. Alle lachten.
»O Gott, und ich dachte, er will wieder reden!« rief Gruschenka nervös. »Hörst du, Mitja«, fügte sie nachdrücklich hinzu, »spring nicht mehr hoch! Aber daß du Champagner mitgebracht hast, ist prächtig. Ich selbst will welchen trinken! Likör kann ich nicht leiden. Das Allerbeste aber ist, daß du selber gekommen bist, sonst ist es hier zu langweilig ... Du bist wohl gekommen, um wieder flott zu leben? Aber steck doch das Geld in die Tasche! Wo hast du denn so viel her?«
Mitja, der noch immer die zusammengeknüllten Banknoten in der Hand hielt, was bereits alle, besonders die beiden Polen aufmerksam gemacht hatte, schob sie, verlegen errötend, schnell in die Tasche. In diesem Augenblick brachte der Wirt auf einem Präsentierteller eine Flasche Champagner und Gläser. Mitja ergriff die Flasche, war aber so fassungslos, daß er nicht wußte, was er damit tun sollte. Kalganow nahm sie ihm aus der Hand und goß an seiner Statt ein.
»Noch eine Flasche« bring noch eine Flasche!« rief Mitja dem Wirt zu. Obwohl er den Polen vorher so feierlich eingeladen hatte, mit ihm zur Feier des Friedensschlusses zu trinken, vergaß er nun, mit ihm anzustoßen, und trank sein ganzes Glas allein aus, ohne auf jemand zu warten. Sein ganzes Gesicht hatte sich plötzlich verändert. An Stelle des feierlichen, tragischen Ausdrucks zeigte sich jetzt eine kindliche Weichheit. Er schien auf einmal ganz sanft und demütig geworden zu sein. Er blickte alle schüchtern und froh an, oft nervös kichernd, mit der dankbaren Miene eines Hündchens, das etwas begangen hat und nun wieder hereingelassen worden ist und gestreichelt wird. Er schien alles vergessen zu haben und schaute mit einem entzückten kindlichen Lächeln um sich; immer wenn er Gruschenka anblickte, lachte er. Er rückte seinen Stuhl ganz dicht an ihren Lehnsessel. Allmählich sah er auch die beiden Polen genauer an, obgleich er sich noch nicht viele Gedanken über sie machte. Der Herr auf dem Sofa fiel ihm auf durch seine würdevolle Haltung, durch seine polnische Aussprache und besonders durch seine Pfeife. ›Na, was ist schon dabei? Es ist gar nicht schlecht, daß er Pfeife raucht‹, überlegte Mitja. Auch das etwas aufgedunsene Gesicht dieses etwa vierzigjährigen Herrn mit dem kleinen Näschen, unter dem ein sehr dünner, an den Enden gezwirbelter, frech aussehender gefärbter Schnurrbart saß, erweckte bei Mitja einstweilen keinerlei Bedenken. Selbst die minderwertige, offensichtlich in Sibirien hergestellte Perücke des Polen mit dem an den Schläfen dumm nach vorn gekämmten Haar machte auf Mitja weiter keinen unangenehmen Eindruck. ›Wenn man eine Perücke trägt, muß es wohl so sein?‹ meditierte er in seiner glückseligen Stimmung. Der andere, der jüngere Pole, der an der Wand saß, und dem allgemeinen Gespräch mit herausfordernden Blicken und schweigender Geringschätzung zuhörte, überraschte Mitja nur durch seinen sehr hohen Wuchs, der in starkem Mißverhältnis zu dem Herrn auf dem Sofa stand. ›Wenn der aufsteht, muß er baumlang sein!‹ dachte Mitja flüchtig. Auch ging ihm der Gedanke durch den Kopf, daß dieser hochgewachsene Herr wahrscheinlich ein Freund oder Helfershelfer oder eine Art Leibwächter des Herrn auf dem Sofa sein müßte und daß der kleine Herr mit der Pfeife dem hochgewachsenen Herrn gewiß zu befehlen hätte. Aber auch das erschien Mitja in seiner Zufriedenheit gut und tadellos. Im Herzen des kleinen Hündchens war jede Rivalität erstorben. Gruschenka und den rätselhaften Ton mancher ihrer Bemerkungen begriff er noch nicht; er merkte nur – und bei dieser Wahrnehmung erbebte sein Herz –, daß sie zu ihm freundlich war, daß sie ihm »verziehen« hatte und ihn neben sich sitzen ließ. Er war außer sich vor Freude, als er
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