Die Brueder Karamasow
Kalganow sich so ereiferte, aber das war bei ihm echt. Auch Mitja, interessierte sich sehr für diese Frage.
»Und wenn er nun doch einmal ausgepeitscht worden ist!« rief er lachend.
»Nicht eigentlich ausgepeitscht, bloß so«, warf Maximow ein.
»Was heißt das, ›bloß so?‹ Sind Sie ausgepeitscht worden oder nicht?«
»Wie spät?« wandte sich der Herr mit der Pfeife mit gelangweilter Miene auf polnisch an den hochgewachsenen Herrn auf dem Stuhl.
Dieser zuckte mit den Schultern, sie hatten beide keine Uhren.
»Warum soll man sich denn nicht unterhalten? Laßt doch auch andere Leute reden! Wenn ihr euch langweilt, brauchen doch andere Leute noch nicht den Mund zu halten!« empörte sich Gruschenka wieder; sie suchte offenbar absichtlich Streit.
Mitja ging eine derartige Vermutung jetzt zum erstenmal durch den Kopf.
Der Pole antwortete schon mit deutlicher Gereiztheit. »Pani, ich habe keinen Einspruch erhoben, ich habe überhaupt nichts gesagt.«
»Na, dann also gut. Erzähle weiter!« rief Gruschenka Maximow zu. »Warum seid ihr alle so still geworden?«
»Da ist eigentlich nichts weiter zu erzählen, es sind ja alles nur Dummheiten«, nahm Maximow, sich ein wenig zierend, aber mit sichtlichem Vergnügen das Wort. »Aber auch bei Gogol ist das alles nur allegorisch gemeint, wie er denn auch alle Familiennamen geändert hat. Nosdrjow zum Beispiel hieß eigentlich nicht Nosdrjow, sondern Nossow, und Kuwschinnikow – da ist nun schon gar keine Ähnlichkeit mehr, er hieß Schkwornew. Aber Fenardi hieß wirklich Fenardi, nur war er kein Italiener, sondern ein Russe namens Petrow, und Mamsell Fenardi war ein allerliebstes Wesen, und ihre Beinchen im Trikot sahen allerliebst aus, und dazu das kurze, mit Flitter besetzte Röckchen, und da drehte sie sich nun herum, nur nicht vier Stunden lang, sondern bloß vier Minuten ... Und bezauberte alle ...«
»Und warum bist du ausgepeitscht worden? Warum eigentlich?« rief Kalganow.
»Wegen Piron«, antwortete Maximow.
»Was ist das für ein Piron?« rief Mitja.
»Der bekannte französische Schriftsteller Piron 56 . Wir tranken damals alle Wein in großer Gesellschaft, in einem Restaurant, eben auf dem bewußten Jahrmarkt. Sie forderten mich auf, etwas zu sagen, und da begann ich zuerst Epigramme zu zitieren: ›Bist du das, Boileau? Was trägst du für einen komischen chapeau?‹ Boileau antwortet, er wolle auf einen Maskenball gehen, das heißt zum Baden, hihi, und das bezogen sie auf sich. Da trug ich so schnell wie möglich ein anderes Epigramm vor, ein bissiges, das jedem Gebildeten bekannt ist:
›Wenn du als Sappho dich,
als Phaon mich verkündest,
bedaur' ich,
daß du nicht den Weg zum Meere findest.‹
Sie fühlten sich noch mehr beleidigt und beschimpften mich in unanständiger Weise, und da erzählte ich nun, um meine Situation zu verbessern, zu meinem Unglück eine sehr gebildete Anekdote über Piron. wie er nicht in die Academie Francaise aufgenommen wurde und, um sich zu rächen, für seinen Grabstein folgende Inschrift verfaßte:
Ci-git Piron qui ne fut rien,
pas meme academicien 57 .
Und da haben sie mich ausgepeitscht.« »Aber weswegen denn, weswegen?«
»Wegen meiner Bildung. Gründe, aus denen man jemand auspeitschen kann, gibt es wie Sand am Meer«, schloß Maximow in sanftem, lehrhaftem Ton.
»Genug, das ist alles widerwärtig, ich will das nicht mehr hören! Ich hatte gedacht, es würde etwas Lustiges kommen«, sagte Gruschenka auf einmal heftig.
Mitja fuhr zusammen und hörte sofort auf zu lachen. Der lange Pole erhob sich von seinem Platz, und mit der hochmütigen Miene eines Menschen, der sich in einer niedrigerstehenden Gesellschaft langweilt, fing er an, mit den Händen auf dem Rücken im Zimmer auf und ab zu gehen.
»Seht mal an, nun fängt der auch noch an herumzulaufen!« bemerkte Gruschenka verächtlich.
Mitja wurde unruhig; er hatte außerdem wahrgenommen, daß der Herr auf dem Sofa ihn gereizt musterte.
»Panie!« rief Mitja. »Lassen Sie uns trinken, Panie! Auch mit dem anderen Pan möchte ich trinken. Trinken wir, Panowie!« Im Nu hatte er drei Gläser geholt und Champagner eingegossen ... »Auf Polen, Panowie! Ich trinke auf Ihr Polen, auf das Polenland!« rief Mitja.
»Das ist mir sehr angenehm, Panie. Trinken wir!« sagte der Herr auf dem Sofa würdevoll und wohlwollend auf polnisch und nahm sein Glas.
»Auch der andere Pan, ich weiß seinen Namen nicht ... Hören Sie, Hochedler, nehmen Sie
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