Die Brueder Karamasow
an.
»Untersteht euch nicht, hier herumzuschreien! Untersteht euch nicht!« rief Gruschenka. »Ihr Truthähne!«
Mitja ließ seinen Blick von einem zum anderen wandern; plötzlich frappierte ihn etwas in Gruschenkas Gesicht, und ein ganz neuer Gedanke tauchte in seinem Kopf auf, ein seltsamer, neuer Gedanke!
»Pani Agrippina«, begann der kleine Pole, ganz rot vor Zorn, als Mitja zu ihm trat und ihm auf die Schulter klopfte.
»Hochedler, auf zwei Worte!«
»Was steht zu Diensten, Panie?«
»Bitte in jenes Zimmer, ich möchte Ihnen nur zwei Wörtchen sagen. Schöne, sehr gute Wörtchen, Sie werden zufrieden sein.«
Der kleine Pole wunderte sich und blickte Mitja mißtrauisch an. Doch erklärte er sich sogleich einverstanden, allerdings nur unter der Bedingung, daß auch Pan Wroblewski mitkommen durfte.
»Ist das Ihr Leibwächter? Nun meinetwegen, auch er wird dabei benötigt! Sogar unbedingt!« rief Mitja. »Vorwärts, Panowie!«
»Wo wollt ihr hin?« fragte Gruschenka beunruhigt. »Wir kommen sofort zurück«, antwortete Mitja.
Eine unerwartete, kühne Unternehmungslust leuchtete in seinem Gesicht; das war jetzt ein ganz anderes Gesicht als vorhin. Er führte die Polen in das rechts gelegene Zimmer, nicht in das große, wo sich der Chor der Mädchen versammelte und der Tisch gedeckt wurde, sondern in eine Schlafstube, in der Truhen und Kästen und zwei Betten standen, jedes mit einem ganzen Berg von Kissen in Baumwollbezügen. In einer Ecke brannte auf einem kleinen Brettertisch ein Licht.
Der kleine Pole und Mitja setzten sich einander gegenüber an dieses Tischchen, und der baumlange Pan Wroblewski stellte sich, die Hände auf dem Rücken, neben sie. Die Polen machten ernste Gesichter, waren aber offenbar sehr neugierig.
»Womit kann ich dem Herrn dienen?« fragte der kleine Pole unsicher.
»Das will ich Ihnen sagen, Panie. Ich werde nicht viele Worte machen. Hier ist Geld für Sie ...« Er zog seine Banknoten heraus. »Wenn Sie dreitausend Rubel wollen – bitte – nehmen Sie sie, und reisen Sie damit, wohin Sie wollen!«
Der Pole schaute Mitja mit weitgeöffneten Augen prüfend an.
»Dreitausend Rubel, Panie?«
Er wechselte einen Blick mit Wroblewski.
»Dreitausend, Panowie, dreitausend! Hören Sie, Panie. Ich sehe, daß Sie ein verständiger Mensch sind. Nehmen Sie die dreitausend Rubel, und scheren Sie sich zu allen Teufeln! Und nehmen Sie auch Ihren Wroblewski mit! Hören Sie? Aber sofort, augenblicklich, verstehen Sie, Panie? Für immer, ja? Hier durch diese Tür werden Sie hinausgehen. Was haben Sie mitgebracht, einen Überzieher, einen Pelz? Ich werde Ihnen die Sachen bringen. Und gleich wird eine Troika für Sie angespannt, und dann leben Sie wohl, Panie! Na?«
Mitja erwartete zuversichtlich eine bejahende Antwort. Er zweifelte nicht daran.
Ein Ausdruck fester Entschlossenheit schimmerte auf dem Gesicht des kleinen Polen auf.
»Und wie steht es mit dem Geld, Panie?«
»Mit dem Geld? Hören Sie zu, Panie. Fünfhundert Rubel gebe ich Ihnen sofort, für den Wagen und als Anzahlung. Und zweitausendfünfhundert bekommen Sie morgen in der Stadt. Mein Ehrenwort darauf! Sie werden da sein – und wenn ich sie aus der Erde holen müßte!« rief Mitja.
Die Polen sahen einander wieder an. Das Gesicht des Kleinen veränderte sich zum schlechteren.
»Siebenhundert, siebenhundert, nicht fünfhundert! Gleich, in die Hand!« sagte Mitja zulegend; er fühlte, daß die Sache schiefging. »Was ist, Panie? Trauen Sie mir nicht? Ich kann Ihnen doch nicht die ganzen dreitausend mit einemmal geben. Wenn ich das täte, würden Sie gleich morgen wieder zu ihr zurückkehren ... Und ich habe auch jetzt nicht die ganzen dreitausend bei mir. Sie liegen bei mir zu Hause«, stammelte Mitja, mit jedem Wort ängstlicher und mutloser. »Bei Gott, sie liegen da gut verwahrt ...«
Augenblicklich drückte sich ein Gefühl außerordentlicher eigener Würde auf dem Gesicht des kleinen Polen aus. »Wünschen Sie sonst noch etwas?« fragte er ironisch. »Pfui! O pfui!« Er spuckte aus.
Auch Pan Wroblewski spuckte aus.
»Sie verschmähen mein Angebot doch nur deshalb, Panie«, sagte Mitja in heller Verzweiflung, da er einsah, daß alles aus war, »weil Sie von Gruschenka noch mehr herauspressen wollen. Gauner sind Sie alle beide, daß Sie es wissen!«
»Ich bin aufs tiefste beleidigt!« rief der kleine Pole auf polnisch.
Vor Zorn krebsrot im Gesicht, verließ er mit schnellen Schritten das Zimmer, als ob er nichts
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