Die Brueder Karamasow
öffnete Flaschen und goß jedem ein, der ihm in die Nähe kam. Auf Champagner waren eigentlich nur die jungen Mädchen versessen; den Bauern sagten Rum und Kognak und besonders der heiße Punsch mehr zu. Mitja ordnete an, für alle Mädchen Schokolade zu kochen und drei Samoware die ganze Nacht über in Betrieb zu lassen, damit jeder Ankömmling Tee und Punsch bekommen konnte: Ein jeder sollte bewirtet werden. Kurz, es begann ein ausschweifendes, sinnloses Treiben; Mitja fühlte sich dabei in seinem Element, und je sinnloser es wurde, um so lebhafter und munterer wurde er. Hätte ihn irgendein Bauer in jenen Augenblicken um Geld gebeten, hätte er sogleich sein ganzes Päckchen Banknoten herausgezogen und nach rechts und links Geld verteilt, ohne zu zählen. Wahrscheinlich aus diesem Grund hielt sich der Wirt Trifon Borissowitsch fast wie eine Klette in seiner Nähe; er schien in dieser Nacht gänzlich auf Schlaf verzichten zu wollen, trank nur wenig, nur ein einziges Glas Punsch, und wachte auf seine Weise sorgsam über Mitjas Interessen. Sooft er es für nötig erachtete, hielt er ihn in knechtisch-freundlicher Manier zurück, redete auf ihn ein, ließ nicht zu, daß er wie »damals« die Bauern mit Zigarren und Rheinwein bewirtete oder ihnen womöglich Geld gab, und war sehr empört darüber, daß die jungen Mädchen Likör tranken und Konfekt aßen. »Es ist ja nur eine Lausebande, Dmitri Fjodorowitsch«, sagte er. »Ich gebe jeder von hinten einen Stoß mit dem Knie und befehle ihr dann noch, sich das als eine Ehre anzurechnen – von der Sorte sind die!« Mitja kam noch einmal auf Andrej zurück und befahl, ihm Punsch zu schicken. »Ich habe ihn vorhin gekränkt«, sagte er noch einmal mit matter, gerührter Stimme. Kalganow wollte eigentlich nicht trinken, und der Mädchenchor mißfiel ihm anfangs sehr; doch nachdem er noch ein paar Gläser Champagner getrunken hatte, wurde er sehr vergnügt, wanderte durch die Zimmer, lachte und lobte alles und alle, die Lieder wie die Musik. Maximow, glückselig und angeheitert, wich nicht von seiner Seite. Gruschenka, die ebenfalls langsam berauscht wurde, sagte zu Mitja, auf Kalganow deutend: »Was ist er doch für ein lieber, prächtiger Junge!« Und Mitja lief hin, um Kalganow und Maximow zu küssen. Oh, er ahnte vieles, wenn sie ihm auch noch nichts Bestimmtes gesagt hatte, sondern sich sogar eher absichtlich zurückhielt, etwas zu sagen, und ihm nur ab und zu einen freundlichen, aber heißen Blick zuwarf. Endlich nahm sie ihn plötzlich fest bei der Hand und zog ihn mit Gewalt zu sich heran. Sie saß in diesem Augenblick in ihrem Lehnstuhl an der Tür.
»Wie konntest du nur vorhin mit so einer Absicht hereinkommen? Wie ist das nur möglich? Ich habe so einen Schreck bekommen! Wie konntest du mich nur an ihn abtreten wollen! Hast du das wirklich gewollt?«
»Ich wollte dein Glück nicht zerstören!« stammelte Mitja glückselig. Aber sie bedurfte seiner Antwort gar nicht.
»Na, nun geh ... Sei lustig!« Mit diesen Worten schickte sie ihn wieder weg. »Und weine nicht, ich werde dich wieder rufen.«
Er ging, und sie beschäftigte sich wieder damit, den Liedern zuzuhören und dem Tanz zuzusehen, folgte ihm dabei jedoch mit den Blicken, wo immer er war. Nach einer Viertelstunde rief sie ihn wieder, und er kam wieder sofort.
»So, setz dich jetzt zu mir und erzähle, wie du erfahren hast, daß ich hierhergefahren bin. Von wem hast du es zuerst gehört?«
Und Mitja begann zu erzählen, unzusammenhängend, ohne Ordnung, mit Feuer; eigenartig war, daß er dabei häufig die Augenbrauen zusammenzog und verstummte.
»Warum machst du denn so ein finsteres Gesicht?« fragte sie »Was hast du?«
»Ach, nichts ... Ich habe dort jemand krank zurückgelassen. Wenn ich wüßte, daß er wieder gesund wird – ich würde zehn Jahre meines Lebens darum geben!«
»Nun, Gott helfe ihm, wenn er krank ist! Also du wolltest dich morgen wirklich erschießen? Und warum, du Dummkopf! Aber ich liebe gerade solche unvernünftigen Menschen wie dich«, flüsterte sie ihm mit etwas schwer gewordener Zunge zu. »Also du bist für mich zu allem fähig? Ja? Und du hast dich wirklich morgen erschießen wollen, du kleiner Dummkopf! Nein, warte noch ein Weilchen ... morgen sage ich dir vielleicht ein Wörtchen ... Heute noch nicht, aber morgen ... Oder möchtest du es heute hören? Nein, heute will ich nicht ... So, nun geh, geh jetzt, sei lustig!«
Einmal jedoch, als sie ihn zu sich rief, schien
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