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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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Sie trotz allem doch ehrenhafte, rechtlich denkende Männer sind. Sie haben mir eine schwere Last vom Herzen genommen ... Nun, was werden wir jetzt tun? Ich bin bereit.«
    »Ja, sehen Sie, wir müssen uns beeilen. Wir müssen ohne Verzug zur Vernehmung der Zeugen schreiten. Das muß unbedingt in Ihrer Gegenwart geschehen, und daher ...«
    »Sollten wir nicht vorher ein bißchen Tee trinken?« unterbrach ihn Nikolai Parfjonowitsch. »Ich glaube, wir haben uns das redlich verdient.«
    Sie beschlossen, falls der Tee unten fertig sein sollte – was sie annahmen, da Michail Makarowitsch wohl zu eben diesem Zweck gegangen war –, zuerst ein Gläschen Tee zu trinken und dann mit aller Energie fortzufahren. Der Tee war wirklich fertig, und es wurde schleunigst welcher heraufgebracht.
    Mitja lehnte anfangs das Glas ab, das ihm Nikolai Parfjonowitsch liebenswürdig anbot; dann jedoch bat er selbst darum und trank es gierig aus. Überhaupt zeugte sein Aussehen von großer Erschöpfung. Bei seiner Körperkraft hätte man gemeint, eine durchschwärmte Nacht und selbst die stärksten Aufregungen würden ihm nicht allzuviel anhaben. Aber er fühlte selbst, daß er kaum noch sitzen konnte, und zeitweilig war es ihm, als fingen alle Gegenstände an, sich zu bewegen und vor seinen Augen zu tanzen. ›Noch ein bißchen, und ich rede am Ende noch irre!‹ mußte er denken.

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8.
Die Zeugenaussagen und der Traum vom »Kindelein«
     
    Die Vernehmung der Zeugen begann, was wir allerdings nicht mit der bisherigen Ausführlichkeit schildern werden. Wir werden beispielsweise weglassen, wie Nikolai Parfjonowitsch jeden aufgerufenen Zeugen darauf hinwies, daß er wahrheitsgemäß und nach seinem Gewissen aussagen und seine Aussage später unter Eid wiederholen müsse. Ebenso werden wir weglassen, wie von jedem Zeugen verlangt wurde, daß er das Protokoll seiner Aussagen unterschrieb, und so weiter und so fort. Wir vermerken nur das eine: Die Aufmerksamkeit der vernommenen Zeugen wurde vorzugsweise immer auf die dreitausend Rubel gerichtet, das heißt, ob es bei Dmitri Fjodorowitschs erstem Gelage hier in Mokroje vor einem Monat dreitausend oder fünfzehnhundert waren und ebenso, ob bei seinem zweiten Gelage dreitausend oder fünfzehnhundert. Leider fielen ausnahmslos alle Zeugenaussagen zu Mitjas Ungunsten aus, und einige Zeugen brachten sogar neue, geradezu verblüffende, seine Angaben widerlegende Tatsachen vor. Der erste, der vernommen wurde, war Trifon Borissowitsch. Er stand ohne die geringste Furcht, mit der Miene ernsten, strengen Unwillens über den Angeklagten, vor den beiden Beamten und verlieh sich dadurch zweifellos den Anschein außerordentlicher Gerechtigkeitsliebe und persönlicher Würde. Er sprach wenig und zurückhaltend, wartete die Fragen ab und antwortete präzis und überlegt. Bestimmt und ohne Umschweife sagte er aus, daß die vor einem Monat ausgegebene Summe nicht weniger als dreitausend Rubel betragen haben konnte; alle Bauern des Dorfes würden aussagen, sie hätten aus Dmitri Fjodorowitschs eigenem Mund von dreitausend Rubeln gehört. »Wieviel Geld hat er schon allein den Zigeunerinnen hingeworfen! Denen sind allein sicherlich mehr als tausend Rubel zugefallen!«
    »Ich habe ihnen vielleicht nicht einmal fünfhundert gegeben«, bemerkte Mitja finster. »Ich habe es damals nur nicht gezählt! Ich war betrunken, das ist das Malheur ...«
    Mitja saß diesmal seitwärts, mit dem Rücken zum Vorhang, hörte mürrisch zu und hatte eine traurige, müde Miene, als wollte er sagen: ›Ach, sagt doch aus, was ihr wollt – jetzt ist schon alles egal!‹
    »Mehr als tausend haben die bekommen, Dmitri Fjodorowitsch«, widersprach Trifon Borissowitsch entschieden. »Sie warfen ja das Geld nur so hin, und die Weiber hoben es auf. Das ist ein diebisches, gaunerisches Volk, Pferdediebe sind sie, man hat sie von hier verjagt, sonst würden sie vielleicht selber aussagen, wieviel sie von Ihnen profitiert haben. Ich selbst habe damals in Ihren Händen eine Summe gesehen – gezählt habe ich sie freilich nicht, zum Zählen haben Sie sie mir nicht gegeben, das ist richtig ... Aber nach dem Augenmaß waren es, wie ich mich erinnere, weit mehr als fünfzehnhundert ... Wie sollten es denn bloß fünfzehnhundert ... gewesen sein! Auch unsereiner hat ja Geld gesehen und kann das beurteilen ...«
    Über die gestrige Summe sagte Trifon Borissowitsch aus, Dmitri Fjodorowitsch hätte ihm, gleich nachdem er aus dem Wagen gestiegen sei,

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