Die Brueder Karamasow
sofort auf das Wort »Schuft« und bat ihn, dies in das Protokoll aufzunehmen. Mitja schäumte vor Wut.
»Und er ist doch ein Schuft! Schreiben Sie es nur hin! Und schreiben Sie auch, daß ich trotz des Protokolls laut schreie, daß er ein Schuft ist!« schrie er.
Obgleich Nikolai Parfjonowitsch dies ins Protokoll aufnehmen ließ, bewies er bei diesem unangenehmen Vorfall dennoch viel Sachkenntnis und große Geschicklichkeit im Verfahren. Nachdem er Mitja streng ermahnt hatte, brach er sogleich alle weiteren Fragen über die »romantische« Seite der Sache ab und ging schnellstens zu den sachlich wichtigen Dingen über. Als sachlich wichtig aber erschien den beiden Beamten die Aussage der Polen, daß Mitja in jenem Nebenzimmer versucht habe, Herrn Mussialowicz mit dreitausend Rubeln Abstandsgeld zu kaufen, und zwar mit siebenhundert Rubeln sofort in bar, während er die restlichen zweitausenddreihundert »morgen früh in der Stadt« erhalten sollte, wobei er sein Ehrenwort gegeben und erklärt habe, er habe hier in Mokroje zur Zeit nicht so viel Geld bei sich. Mitja bemerkte zuerst hitzig, er habe nicht gesagt, daß er das Geld bestimmt am nächsten Tag in der Stadt auszahlen werde. Pan Wroblewski aber bestätigte diese Aussage, und Mitja gab nach kurzem Überlegen schließlich mit finsterer Miene zu, daß es wahrscheinlich so war, wie die Polen sagten. Er sei damals sehr aufgeregt gewesen, und es sei daher tatsächlich möglich, daß er das gesagt habe. Der Staatsanwalt sog sich an dieser Aussage fest: Jetzt war es ihnen klar – und diese Folgerung sprachen sie später auch unumwunden aus –, daß die Hälfte oder ein Teil der dreitausend Rubel, die Mitja in die Hände gefallen waren, tatsächlich irgendwo in der Stadt oder vielleicht sogar irgendwo in Mokroje versteckt sein konnte; auf diese Art erklärte sich auch der für die Anklage mißliche Umstand, daß man bei Mitja nur achthundert Rubel gefunden hatte – ein Umstand, der bisher zwar ziemlich unerheblich gewesen war, aber doch einigermaßen zu Mitjas Gunsten gesprochen hatte. Jetzt aber brach auch dieses einzige für ihn günstige Zeugnis zusammen. Auf die Frage des Staatsanwalts, wo er denn die übrigen zweitausenddreihundert Rubel habe hernehmen wollen, um sie am nächsten Tag dem Polen »auf Ehrenwort« auszuzahlen, wo er doch nach seiner eigenen Versicherung nur fünfzehnhundert Rubel gehabt habe – auf diese Frage antwortete Mitja mit fester Stimme, er habe dem Polen kein Geld anbieten wollen, sondern eine formelle Urkunde über die Abtretung seiner Rechte auf das Gut Tschermaschnja, derselben Rechte, die er auch dem Kaufmann Samsonow und Frau Chochlakowa angeboten habe. Der Staatsanwalt lächelte über die »Naivität dieser Ausrede«.
»Und Sie glauben; daß er eingewilligt hätte, diese Abtretungsurkunde statt der zweitausenddreihundert Rubel in bar anzunehmen?«
»Zweifellos hätte er eingewilligt«, erwiderte Mitja hitzig. »Ich bitte Sie, dabei hätte er nicht nur zwei-, sondern vier- oder sechstausend Rubel herausschlagen können! Er hätte sogleich seine polnischen Advokaten zusammengetrommelt und dem Alten nicht bloß dreitausend Rubel, sondern das ganze Tschermaschnja abgenommen.«
Selbstverständlich wurde die Aussage von Pan Mussialowicz mit allen Einzelheiten ins Protokoll aufgenommen, dann wurden die beiden Polen entlassen. Der Betrug beim Kartenspiel wurde fast gar nicht erwähnt. Nikolai Parfjonowitsch war ihnen viel zu dankbar und wollte sie nicht noch mit Kleinigkeiten belästigen, zumal das alles nur ein unbedeutender Streit in betrunkenem Zustand beim Kartenspiel gewesen sein mochte und weiter nichts – was für Ausschweifungen und Ungehörigkeiten waren nicht vorgekommen in dieser Nacht! So behielten denn die Polen die zweihundert Rubel in der Tasche.
Dann wurde der alte Maximow hereingerufen. Er erschien in ängstlicher Haltung, trat mit kleinen Schritten näher und sah strubbelig und sehr traurig aus. Die ganze Zeit hatte er sich unten bei Gruschenka aufgehalten, schweigend und ab und zu aufschluchzend neben ihr gesessen und sich mit seinem blaukarierten Taschentuch die Augen gewischt, so daß sie ihm, wie Michail Makarowitsch später erzählte, schon beruhigend und tröstend zugeredet hatte. Der Alte gestand sofort unter Tränen, er sei schuldig. Er habe sich von Dmitri Fjodorowitsch zehn Rubel geborgt, »wegen meiner Armut«; er sei jedoch bereit, sie ihm zurückzugeben. Auf Nikolai Parfjonowitschs direkte Frage, ob
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