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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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offensichtlich beeilt. Er reichte Kolja ohne Umstände die Hand.
    »Da sind Sie ja endlich, wir haben Sie alle schon sehnsüchtig erwartet.«
    »Mein Ausbleiben hatte seine Gründe, die Sie gleich erfahren werden. Jedenfalls freue ich mich, ihre Bekanntschaft zu machen. Ich habe schon längst auf eine Gelegenheit gewartet und viel von ihnen gehört«, murmelte Kolja etwas mühsam.
    »Wir hätten uns ja ohnedies kennengelernt. Ich habe auch viel von ihnen gehört. Aber hierher hätten Sie viel früher kommen sollen.«
    »Sagen Sie, wie steht es hier?«
    »Iljuscha geht es sehr schlecht, er wird bestimmt sterben.«
    »Was sagen Sie! Da müssen Sie doch zugeben, Karamasow, daß dir ärztliche Wissenschaft ein Humbug ist!« rief Kolja erregt.
    »Iljuscha hat Sie oft, sehr oft erwähnt, wissen Sie, sogar im Schlaf, beim Phantasieren. Offenbar hat er Sie früher sehr, sehr gemocht ... Vor dieser Geschichte mit dem Messer. Aber da ist auch noch ein anderer Grund ... Sagen Sie, ist das ihr Hund?«
    »Ja, er heißt Pereswon.«
    »Nicht Shutschka?« Aljoscha sah Kolja bedauernd an. »Der ist wohl ganz und gar verschwunden?«
    »Ich weiß, daß Sie alle gern Shutschka wiederhaben möchten, ich habe alles gehört«, erwiderte Kolja mit rätselhaftem Lächeln.
    »Hören Sie, Karamasow, ich werde ihnen die ganze Sache auseinandersetzen. Ich bin hauptsächlich zu diesem Zweck gekommen und habe Sie deswegen herausrufen lassen, um ihnen die ganze Geschichte zu erklären, bevor wir hineingehen«, begann er lebhaft. »Sehen Sie, Karamasow, im Frühjahr trat Iljuscha in die Vorbereitungsklasse ein. Na, man weiß ja, wie unsere Vorbereitungsklasse beschaffen ist – da sitzen kleine Jungen drin, Kindervolk. Sie fingen sofort an, Iljuscha zu necken. Ich sitze zwei Klassen höher und erlebte das alles nur so aus der Ferne mit, wie etwas, das mich nichts anging. Ich sah, er war ein kleiner, schwächlicher Junge; aber er ließ sich nichts gefallen und prügelte sich sogar mit ihnen, er hatte seinen Stolz, die Augen funkelten ihm nur so. Ich liebe solche Charaktere. Sie trieben es immer schlimmer. Der Hauptgrund war, er trug damals so schlechte Sachen, seine Hosen waren zu klein und die Stiefel zerrissen. Deswegen hänselten sie ihn, es war geradezu entwürdigend. Nein, so etwas kann ich nicht leiden! Ich griff also ein und verabreichte ihnen das Nötige. Ich verprügele sie, und sie vergöttern mich trotzdem, wissen Sie das, Karamasow?« prahlte Kolja mitteilsam. »Und ich mag Kindervolk eigentlich gern leiden. Bei mir zu Hause habe ich jetzt auch zwei solche Knirpse auf dem Hals, die haben mich sogar heute aufgehalten ... Sie hörten also endlich auf, Iljuscha zu schlagen, und ich nahm ihn unter meinen Schutz. Ich sah, daß er stolz war, ich kann ihnen sagen: wie stolz! Schließlich aber unterwarf er sich mir sklavisch, erfüllte alle meine Befehle, gehorchte mir, als ob ich sein Gott wäre, und bemühte sich, mir alles nachzutun. In den Pausen zwischen den Unterrichtsstunden kam er immer sofort zu mir, und wir gingen dann zusammen. Ebenso sonntags. Bei uns auf dem Gymnasium spotten sie, wenn ein älterer Schüler so mit einem jüngeren verkehrt, aber das sind veraltete Anschauungen. Ich will es eben so – und damit basta, nicht wahr? Ich belehrte und bildete ihn – sagen Sie selbst, warum soll ich ihn nicht bilden, wenn es mir gefällt? Sie selber, Karamasow, sind ja auch mit diesen Knirpsen in Kontakt getreten, offenbar weil auch Sie auf die junge Generation einwirken, sie bilden und ihr nutzen möchten. Und ich muß gestehen, gerade dieser Zug ihres Charakters, von dem ich erfahren habe, interessiert mich am allermeisten. Zur Sache: ich bemerkte, daß der Junge empfindsam und sentimental wurde – doch ich bin ein Feind aller kalbrigen Zärtlichkeiten, wissen Sie, schon von meiner Geburt an. Und dann diese Widersprüche! Er war stolz und mir trotzdem sklavisch ergeben. Er war mir sklavisch ergeben, und trotzdem funkelten manchmal plötzlich seine Augen, und er wollte mir nicht zustimmen und stritt hartnäckig. Wenn ich ihm manchmal irgendwelche Ideen auseinandersetzte, so sah ich, daß er nicht eigentlich die Ideen bekämpfte, sondern sich geradezu gegen mich persönlich auflehnte, weil ich auf seine Zärtlichkeiten nur kühl antwortete. Um ihn nun zu erziehen, benahm ich mich um so kühler, je zärtlicher er wurde. Ich tat das absichtlich, nach meiner Überzeugung war das richtig. Ich wollte seinen Charakter bilden und festigen, einen

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