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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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verwundert.
    »Nun, ich meine Gott und das übrige.«
    »Glauben Sie etwa nicht an Gott?«
    »O doch, ich habe nichts gegen Gott. Zwar ist Gott nur eine Hypothese, aber ich gestehe, daß er notwendig ist, für die Ordnung ... Für die Weltordnung und so weiter ... Und wenn er nicht existierte, müßte man ihn erfinden«, fügte Kolja errötend hinzu. Ihm war plötzlich der Gedanke gekommen, Aljoscha könnte glauben, er wolle nur seine Kenntnisse zur Schau stellen und zeigen, daß er schon erwachsen war. ›Ich habe durchaus nicht die Absicht, meine Kenntnisse zur Schau zu stellen!‹ dachte Kolja empört. Und er ärgerte sich auf einmal gewaltig.
    »Zugegeben, es widerstrebt mir, auf alle diese Streitigkeiten einzugehen«, sagte er abbrechend. »Man kann ja, auch ohne an Gott zu glauben, die Menschheit lieben, meinen Sie nicht auch? Voltaire zum Beispiel hat nicht an Gott geglaubt und trotzdem die Menschheit geliebt!« ›Schon wieder, schon wieder‹, dachte er bei sich.
    »Voltaire hat an Gott geglaubt, aber, wie es scheint, nur wenig. Und wie es scheint, hat er auch die Menschheit nur wenig geliebt«, versetzte Aljoscha leise, ruhig und in ganz natürlichem Ton, als spräche er mit einem Gleichaltrigen oder gar einem Älteren.
    Kolja beeindruckte besonders Aljoschas scheinbare Unsicherheit in seinem Urteil über Voltaire und der Umstand, daß er ihm, Kolja, gewissermaßen die Entscheidung dieser Frage anheimgab.
    »Haben Sie denn Voltaire gelesen?« schloß Aljoscha.
    »Nein, eigentlich nicht ... Das heißt, ›Candide‹ habe ich gelesen, in einer russischen Übersetzung ... In einer alten, gräßlichen Übersetzung ...« ›Schon wieder, schon wieder!‹
    »Und haben Sie alles verstanden?«
    »O ja, alles ... Das heißt ... Warum sollte ich es nicht verstanden haben? Es sind zwar viele Unsauberkeiten enthalten ... Doch ich bin natürlich imstande zu begreifen, daß es ein philosophischer Roman ist, der geschrieben wurde um einer Idee willen ...« Kolja war bereits vollständig verwirrt. »Ich bin Sozialist, Karamasow! Ich bin ein unverbesserlicher Sozialist«, fügte er plötzlich ohne verständlichen Grund übergangslos hinzu.
    »Sozialist?« erwiderte lachend Aljoscha. »Wann haben Sie denn das geschafft? Sie sind doch erst dreizehn, glaube ich?«
    Kolja wand sich innerlich geradezu.
    »Erstens nicht dreizehn, sondern vierzehn, in zwei Wochen vierzehn«, erwiderte er mit feuerrotem Kopf. »Und zweitens verstehe ich absolut nicht, was mein Alter damit zu tun hat. Es handelt sich darum, welche Ansichten ich habe – und nicht, wie alt ich bin, nicht wahr?«
    »Wenn Sie älter sind, werden Sie selbst einsehen, welche Bedeutung das Alter für die Ansichten hat. Mir schien sogar, Sie gäben die Worte anderer wieder«, antwortete Aljoscha bescheiden und ruhig; doch Kolja unterbrach ihn hitzig.
    »Ich bitte Sie, Sie verlangen Gehorsam und Mystizismus! Sie müssen doch selbst zugeben, daß zum Beispiel das Christentum den Reichen und Vornehmen nur dazu gedient hat, die niedere Klasse in Sklaverei zu halten, nicht wahr?«
    »Ach, ich weiß, wo Sie das gelesen haben! Oder jemand hat ihnen diese Lehren vorgetragen!« rief Aljoscha.
    »Ich bitte Sie, warum soll ich das unbedingt gelesen haben? Auch hat mir niemand diese Lehren vorgetragen. Ich kann doch auch selbst ... Und meinetwegen – ich bin nicht gegen Christus. Er war eine durchaus humane Persönlichkeit, und wenn er zu unserer Zeit lebte, würde er sich geradewegs den Revolutionären anschließen und vielleicht eine bedeutende Rolle spielen ... Das ist sogar sicher.«
    »Na, wo haben Sie denn das aufgeschnappt? Mit welchem Dummkopf haben Sie sich denn abgegeben?« rief Aljoscha.
    »Ich bitte Sie, die Wahrheit kann man nicht verbergen. Ich rede allerdings aus bestimmten Gründen häufig mit Herrn Rakitin, aber, ... Das soll auch schon Belinski gesagt haben.«
    »Belinski, ich erinnere mich nicht. Das hat er nirgends geschrieben.«
    »Wenn er es nicht geschrieben hat, war es vielleicht ein mündlicher Ausspruch von ihm. Ich habe es von jemandem gehört ... Ach, weiß der Teufel ...«
    »Belinski haben Sie jedenfalls gelesen?«
    »Sehen Sie, nein ... Ich habe ihn nicht ganz gelesen ... Aber die Stelle über Tatjana, warum sie nicht mit Onegin in intimen Verkehr trat, die habe ich gelesen.«
    »Sie sagen: ›Warum sie nicht mit Onegin in intimen Verkehr trat!‹ Verstehen Sie das etwa schon?«
    »Ich bitte Sie! Sie scheinen mich für den kleinen Smurow zu halten!«

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