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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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lächelte Kolja gereizt. »Glauben Sie übrigens bitte nicht, daß ich ein allzu schlimmer Revolutionär wäre. Ich bin sehr oft anderer Meinung als Herr Rakitin. Wenn ich das über Tatjana sage, so bin ich durchaus nicht für die Emanzipation der Frau. Ich gebe zu, daß die Frau ein untergeordnetes Wesen ist und gehorchen muß. Les femmes tricotent, wie Napoleon sagte ... Zumindest in diesem Punkt teile ich vollkommen die Anschauung dieses pseudogroßen Mannes. Ich glaube zum Beispiel auch, daß es eine Gemeinheit ist, aus dem Vaterland nach Amerika zu gehen, oder schlimmer als eine Gemeinheit, eine Dummheit. Warum nach Amerika gehen, wo man auch bei uns der Menschheit viel Nutzen bringen kann? Besonders jetzt. Es bietet sich einem doch eine Masse fruchtbringender Tätigkeit an. In diesem Sinne habe ich auch geantwortet.«
    »Geantwortet? Wem? Hat Sie schon jemand aufgefordert, nach Amerika zu gehen?«
    »Ich muß gestehen, daß man mich dazu veranlassen wollte, doch ich habe abgelehnt. Dies natürlich nur unter uns, Karamasow, hören Sie! Davon zu niemandem ein Wort! Das sage ich nur ihnen. Ich habe kein Verlangen, in die Klauen der Dritten Abteilung zu fallen und Lektionen an der Kettenbrücke 67 zu nehmen.
    Das Bauwerk an der Kettenbrücke vergißt, wer drinnen war, nicht leicht!
    Erinnern Sie sich an die Stelle? Großartig gesagt! Worüber lachen Sie? Sie denken doch wohl nicht, daß ich Ihnen das alles vorgeschwindelt habe?« ›Wie, wenn er erfährt, daß im Bücherschrank meines Vaters nur diese eine Nummer des »Kolokol« vorhanden ist und ich weiter nichts davon gelesen habe?‹ ging es Kolja flüchtig durch den Kopf; und er zuckte bei diesem Gedanken zusammen.
    »O nein, ich lache nicht und glaube durchaus nicht, daß Sie mit etwas vorgeschwindelt haben. Und zwar deshalb nicht, weil das alles leider tatsächlich wahr ist! Aber sagen Sie mal, Puschkin haben Sie doch gelesen, den Onegin? Sie sprachen ja soeben von Tatjana?«
    »Nein, ich habe ihn noch nicht gelesen, ich will ihn lesen. Ich bin frei von vorgefaßten Meinungen, Karamasow. Ich will die eine wie die andere Partei hören. Warum haben Sie danach gefragt?«
    »Ich fragte nur so.«
    »Sagen Sie, Karamasow, Sie verachten mich wohl sehr?« sagte Kolja unvermittelt und richtete sich vor Aljoscha auf, als wollte er sich in Kampfpositur stellen. »Tun Sie mir den Gefallen und antworten Sie ohne Umschweife?«
    »Ich soll Sie verachten?« fragte Aljoscha verwundert. »Warum sollte ich das tun? Es tut mir nur leid, daß eine prächtige Natur wie Sie schon von diesem groben Unsinn verdorben ist, ehe sie richtig angefangen hat zu leben.«
    »Wegen meiner Natur machen Sie sich bitte keine Sorgen!« unterbrach ihn Kolja nicht ohne Selbstgefälligkeit. »Und daß ich mißtrauisch bin, das ist nun einmal so. Das ist eine Dummheit von mir, eine Grobheit. Sie lächelten eben, und da schien es mit, als ob Sie ...«
    »Ach, ich lächelte über etwas ganz anderes. Ich will ihnen sagen, worüber. Ich las kürzlich einen Ausspruch, den ein in Rußland lebender Deutscher über unsere heutige Schuljugend getan hat. ›Zeigen Sie‹, schreibt er, ›einem russischen Schüler eine Karte des Sternenhimmels, von der er bisher nicht die geringste Kenntnis gehabt hat, und er wird ihnen morgen diese Karte korrigiert zurückgeben.‹ Keine Kenntnisse und ein grenzenloses Selbstbewußtsein – das ist es, was dieser Deutsche über den russischen Schüler aussagen wollte.
    »Aber das ist ja vollkommen richtig!« rief Kolja lachend. »Bravo, Deutscher! Nur hat der Deutsche die gute Seite übersehen, meinen Sie nicht auch? Selbstbewußtsein, das mag sein, das kommt von dem jugendlichen Alter, das bessert sich, wenn eine Besserung überhaupt erforderlich ist. Aber dafür haben wir die Unabhängigkeit des Denkens gleich von Kindheit an, dafür haben wir die Kühnheit der Ideen und der Anschauungen, und nicht den deutschen Geist sklavischer Kriecherei vor Autoritäten ... Trotzdem hat der Deutsche das gut gesagt! Bravo, Deutscher! Allerdings muß man die Deutschen trotzdem erwürgen. Mögen sie auch in der Wissenschaft stark sein, erwürgen muß man sie trotzdem ...«
    »Wofür muß man sie denn erwürgen?« fragte Aljoscha lächelnd.
    »Na, ich habe vielleicht Unsinn geschwatzt, ich gebe es zu. Ich bin manchmal ein schrecklicher Kindskopf, und wenn ich mich über etwas freue, kann ich mich nicht beherrschen und fange an, Unsinn zu schwatzen ... Hören Sie mal, wir schwatzen hier beide

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