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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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entschieden für unerheblich«, bemerkte er noch einmal kurz und stolz.
    »Aber ich weiß, wer Troja gegründet hat«, sagte auf einmal ganz unerwartet ein Junge, der bis dahin kaum ein Wort gesprochen hatte. Es war Kartaschow, ein schweigsames und offenbar schüchternes Bürschchen, ziemlich hübsch und etwa elf Jahre alt; er saß dicht an der Tür.
    Kolja sah ihn erstaunt und würdevoll an. Die Frage: »Wer hat eigentlich Troja gegründet?« war nämlich in allen Klassen geradezu eine Preisfrage geworden, zu deren Lösung man in Smaragdows Weltgeschichte nachlesen mußte. Diese Weltgeschichte besaß aber niemand außer Kolja. Und nun hatte der kleine Kartaschow einmal, als Kolja nicht hinsah, flink und verstohlen zwischen dessen Büchern den Smaragdow aufgeschlagen und sofort die Stelle von den Gründern Trojas gefunden. Das war schon vor ziemlich langer Zeit geschehen; doch er war immer ängstlich gewesen und hatte nicht gewagt, öffentlich auszusprechen, daß auch er wisse, wer Troja gegründet hatte; er hatte gefürchtet, das könnte für ihn unangenehme Folgen haben, Kolja könnte ihn zur Strafe irgendwie in Verlegenheit bringen. Jetzt kannte er es aber auf einmal nicht mehr aushalten und sagte es: Er hatte es schon längst gewollt.
    »Na, wer hat es denn gegründet?« fragte Kolja von oben herab; er hatte schon am Gesicht des anderen erkannt, daß der es tatsächlich wußte, und sich selbstverständlich sofort auf alle Folgen vorbereitet. In der allgemeinen Stimmung trat, wie man das so nennt, eine Dissonanz ein.
    »Troja gründeten Teukros, Dardannos, Ilus und Tros«, sagte der Junge klar und deutlich und wurde dann plötzlich so rot, daß er einem leid tun konnte. Die anderen blickten ihn lange starr an, dann wandten sich alle zu Kolja um. Kolja maß den Kleinen noch immer mit seinem geringschätzigen Blick.
    »Und wie haben sie es denn gegründet?« ließ er sich endlich herab zu fragen. »Und was bedeutet das überhaupt: eine Stadt oder einen Staat gründen? Was haben sie denn gemacht? Sind sie hingekommen und haben jeder einen Ziegelstein hingelegt, ja?«
    Es erscholl Gelächter. Die Röte des Jungen steigerte sich zu dunklem Purpur; er schwieg und war nahe daran loszuweinen.
    Kolja ließ ihn noch ungefähr eine Minute lang in dieser unangenehmen Situation.
    »Wenn man von solchen historischen Ereignissen sprechen will, wie es die Gründung von Nationen ist, muß man vor allen Dingen verstehen, was das bedeutet«, sagte er streng und gemessen in belehrendem Ton. »Ich messe übrigens allen diesen Altweibergeschichten keinen Wert bei und schätze überhaupt die Weltgeschichte nicht sehr hoch ein«, fügte er dann, an alle gewandt, lässig hinzu.
    »Die Weltgeschichte, sagten Sie?« fragte der Stabskapitän, der einen richtigen Schreck bekommen hatte.
    »Jawohl, die Weltgeschichte. Sie ist die wissenschaftliche Erforschung einer Reihe menschlicher Dummheiten, weiter nichts. Ich schätze nur die Mathematik und die Naturwissenschaften«, verkündete Kolja und warf einen flüchtigen Blick auf Aljoscha; der war hier der einzige, dessen Urteil er fürchtete.
    Doch Aljoscha blieb ernst und stumm wie vorher. Hätte Aljoscha jetzt gleich etwas gesagt, hätte die Sache damit ihren Abschluß finden können; aber Aljoscha schwieg, und sein Schweigen konnte geringschätzig sein. So wurde denn Kolja ganz nervös.
    »Und dann diese klassischen Sprachen! Der reine Blödsinn, weiter nichts ... Sie scheinen wieder nicht meiner Meinung zu sein, Karamasow?«
    »Nein, ich bin nicht ihrer Meinung«, erwiderte Aljoscha zurückhaltend und lächelte.
    »Wenn Sie meine ganze Meinung über die klassischen Sprachen hören wollen, so muß ich sagen: Sie sind eine Polizeimaßregel. Das ist der einzige Zweck, zu dem sie eingeführt worden sind!« sagte Kolja, dem allmählich wieder das Atmen schwer wurde. »Sie sind eingeführt worden, weil sie langweilig sind und die Fähigkeiten abstumpfen. Es war ohnehin schon langweilig, und da überlegten die Regierenden: Was sollen wir tun, damit es noch langweiliger wird? Es war schon sinnlos, und da überlegten sie: Was sollen wir tun, damit es noch sinnloser wird? So verfielen sie auf die klassischen Sprachen. Das ist meine ganze Meinung darüber, und ich hoffe, daß ich sie nie ändern werde«, schloß Kolja scharf.
    Auf seinen Backen waren rote Flecke erschienen.
    »Das ist wahr«, stimmte ihm Smurow, der eifrig zugehört hatte, mit seiner hellen Stimme überzeugt zu.
    »Und dabei ist er

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