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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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Launenhaftigkeit war nicht die Spur zurückgeblieben. Eigenartig berührte Aljoscha auch, daß sie trotz allen Unglücks, das sie heimgesucht hatte, als man Mitja gerade in dem Augenblick unter dem Verdacht eines furchtbaren Verbrechens festnahm, da sie seine Braut geworden war, und trotz der anschließenden Krankheit ihre frühere jugendliche Heiterkeit dennoch nicht verloren hatte. In ihren einstmals stolzen Augen schimmerte jetzt eine gewisse Sanftmut, obwohl manchmal schon wieder ein boshaftes Feuer in ihnen aufflammte, wenn nämlich eine frühere Sorge sie überkam, eine Sorge, die in ihrem Innern nicht erstorben, sondern noch gewachsen war. Der Gegenstand dieser Sorge war immer derselbe: Katerina Iwanowna, an die sich Gruschenka sogar in ihren Fieberträumen erinnert hatte. Aljoscha ahnte, daß Gruschenka wegen Mitja auf sie eifersüchtig war, obgleich Katerina Iwanowna ihn in seiner Haft nicht ein einziges Mal besucht hatte, was sie nach Belieben hätte tun können. Durch alles dies wurde Aljoscha vor eine schwierige Aufgabe gestellt, denn Gruschenka gewährte nur ihm Einblick in ihr Innerstes und fragte ständig um Rat; er aber war bisweilen einfach nicht imstande, ihr etwas Zweckdienliches zu sagen.
    Sorgenvoll betrat er ihre Wohnung; sie war vor einer halben Stunde von Mitja zurückgekehrt. Schon an der schnellen Bewegung, mit der sie von ihrem Lehnsessel am Tisch aufsprang und ihm entgegeneilte, erkannte er, daß sie ihn mit großer Ungeduld erwartet hatte. Auf dem Tisch lagen Spielkarten, es war gerade gegeben worden. Auf dem Ledersofa an der anderen Seite des Tisches war ein Bett zurechtgemacht, auf dem im Schlafrock und baumwollener Nachtmütze, offenbar krank und matt, obwohl auch jetzt süßlich lächelnd, Maximow halb lag und halb saß. Dieser heimatlose alte Mann war, als er vor einem Monat mit Gruschenka aus Mokroje gekommen war, einfach bei ihr geblieben. Als er damals mit ihr in Regen und Schmutz angekommen war, setzte er sich, durchnäßt und ängstlich, auf das Sofa und blickte sie schweigend mit einem schüchternen, bittenden Lächeln an. Gruschenka, die großen Kummer hatte und bei der sich schon das Fieber ankündigte, vergaß ihn in der ersten halben Stunde nach der Ankunft fast gänzlich; dann sah sie ihn sich an; und er kicherte ihr kläglich und fassungslos ins Gesicht. Sie rief Fenja und befahl ihr, ihm etwas zu essen zu geben. Den ganzen Tag saß er auf seinem Platz, ohne sich zu rühren; als es dunkel wurde und die Fensterläden zugemacht wurden, fragte Fenja ihre Herrin: »Wie ist es, gnädiges Fräulein, wird er auch die Nacht hierbleiben?«
    »Ja, mach ihm ein Bett auf dem Sofa zurecht!« antwortete Gruschenka.
    Auf genauere Fragen erfuhr Gruschenka von ihm, daß er tatsächlich nicht wußte, wo er jetzt bleiben sollte! »Mein Wohltäter, Herr Kalganow«, sagte er, »hat mir geradeheraus erklärt, er wolle mich nicht mehr aufnehmen, und hat mir fünf Rubel geschenkt.«
    »Na, dann bleib in Gottes Namen hier!« entschied Gruschenka und lächelte ihm mitleidig zu. Der Alte bekam davon ein Zucken im Körper, seine Lippen bebten, und er fing vor Dankbarkeit an zu weinen. So blieb also der vagabundierende Schmarotzer bei ihr. Selbst während ihrer Krankheit verließ er das Haus nicht. Fenja und ihre Mutter, Gruschenkas Köchin, jagten ihn nicht weg, sondern gaben ihm weiter zu essen und machten ihm weiterhin ein Bett auf dem Sofa zurecht. Allmählich gewöhnte sich Gruschenka sogar an ihn, und wenn sie von Mitja zurückkam (den sie, kaum genesen, ja noch ehe sie ordentlich gesund war, sofort besuchen ging), setzte sie sich hin und begann mit »Maximuschka« über allerlei Nichtigkeiten zu reden, nur um ihren Schmerz zu betäuben. Es stellte sich heraus, daß der Alte manchmal auch leidlich zu erzählen wußte, so daß er ihr schließlich unentbehrlich wurde. Außer Aljoscha, der jedoch nicht täglich und immer nur auf kurze Zeit kam, empfing Gruschenka fast niemand. Ihr alter Kaufmann lag zu dieser Zeit schon schwerkrank darnieder; er »war im Abgehen«, wie man in der Stadt sagte, und starb tatsächlich eine Woche nach der Gerichtsverhandlung über Mitja. Drei Wochen vor seinem Tode, als er fühlte, daß sein Ende nahe war, rief er endlich seine Söhne mit ihren Frauen und Kindern zu sich nach oben und befahl ihnen, nicht mehr von ihm wegzugehen. Ferner gab er den Dienern strengen Befehl, Gruschenka von nun an nicht mehr vorzulassen und ihr zu sagen: »Der Herr läßt Ihnen ein langes,

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