Die Brueder Karamasow
schritt ein, doch der Verteidiger erklärte, er sei mit Herrn Rakitins Befragung fertig. Rakitin trat etwas begossen von der Bühne ab. Der Eindruck der hohen Vornehmheit seiner Rede war verdorben, und Fetjukowitsch begleitete ihn mit den Augen, auf diese Weise das Publikum auf ihn hinweisend: Da seht ihr, von welcher Sorte eure vornehmen Belastungszeugen sind!‹ Ich erinnere mich, daß es auch dabei nicht ohne Zwischenfall von seiten Mitjas abging. Wütend über den Ton, in dem Rakitin über Gruschenka sprach, schrie er plötzlich von seinem Platz aus: »Bernard!« Und als sich der Präsident nach Beendigung der Vernehmung Rakitins mit der Frage an den Angeklagten wandte, ob er seinerseits etwas bemerken wolle, schrie Mitja mit schallender Stimme: »Er hat sich von mir Geld gepumpt, als ich schon unter Anklage stand! Er ist ein verächtlicher Bernard und Streber und glaubt nicht an Gott, und den Bischof hat er hinters Licht geführt!«
Mitja wurde wegen seiner maßlosen Ausdrücke natürlich wieder zur Ordnung gerufen, Herr Rakitin aber war abgetan. Auch die Vernehmung des Stabskapitäns Snegirjow ging nicht ganz nach Wunsch vonstatten, aber aus einem völlig anderen Grunde. Er trat ganz abgerissen auf, in schmutziger Kleidung und mit schmutzigen Stiefeln; außerdem stellte es sich heraus, daß er trotz aller Vorsichtsmaßregeln und einer vorhergehenden Untersuchung seines Zustandes durch Sachverständige total betrunken war. Auf die Fragen nach der ihm von Mitja zugefügten Beleidigung weigerte er sich zu antworten.
»Gott verzeihe ihm! Iljuschetschka hat es mir verboten. Gott wird es mir vergelten!«
»Wer hat Ihnen verboten auszusagen? Von wem reden Sie da?«
»Iljuschetschka, mein Söhnchen, hat gesagt: ›Papachen, Papachen, wie hat er dich erniedrigt!‹ Bei dem Stein hat er es gesagt. Jetzt liegt er im Sterben ...‹«
Der Stabskapitän fing auf einmal an zu schluchzen und warf sich mit einem Schwung dem Präsidenten zu Füßen. Er wurde unter dem Gelächter des Publikums schleunigst hinausgeführt. Der vom Staatsanwalt beabsichtigte Effekt kam nicht zustande.
Der Verteidiger aber fuhr fort, alle möglichen Mittel anzuwenden, und beeindruckte mehr und mehr durch seine bis in die geringsten Einzelheiten reichende Kenntnis der Prozeßsache. So erzielte zum Beispiel die Aussage Trifon Borissowitschs schon ihre erste starke Wirkung, und sie war natürlich für Mitja äußerst ungünstig. Er rechnete nämlich fast an den Fingern aus, daß Mitja bei seinem ersten Besuch in Mokroje, etwa einen Monat vor der Katastrophe, nicht weniger als dreitausend Rubel ausgegeben haben müßte oder »höchstens eine ganze Kleinigkeit weniger ... Allein schon für diese Zigeunerinnen, wieviel Geld hat er da rausgeschmissen! Und unseren Bauern, unseren verlausten Bauern hat er nicht etwa jedem einen halben Rubel hingeworfen, sondern jedem mindestens einen Fünfundzwanzigrubelschein, weniger hat er keinem gegeben. Und wieviel ist ihm damals einfach gestohlen worden! Wer stahl, der ließ ja seine Hand nicht da, wie sollte man da so einen Dieb fassen, wenn der Herr selbst das Geld achtlos umherstreute! Die Bauern sind ja die reinste Räuberbande und scheuen sich vor keiner Sünde! Und die Mädchen, unsere Dorfmädchen, was haben die nicht alles gekriegt! Die Leute bei uns sind seitdem reich, so ist es, und früher war da nur Armut ...« Kurz, er zählte jede einzelne Ausgabe auf und rechnete alles zusammen wie an der Rechenmaschine. Die Annahme, daß Mitja nur fünfzehnhundert Rubel ausgegeben, die anderen fünfzehnhundert aber in dem Säckchen aufgehoben hätte, wurde auf diese Weise undenkbar. »Ich habe die dreitausend Rubel selber gesehen, in seinen Händen habe ich sie gesehen! So deutlich wie ein Kopekenstück habe ich sie mit meinen Augen betrachtet, wie sollte denn unsereiner nicht verstehen, Geld zu beurteilen!« rief Trifon Borissowitsch aus, mit aller Gewalt bemüht, es »der Obrigkeit« recht zu machen. Als nun das Fragenstellen auf den Verteidiger überging, machte dieser fast gar keinen Versuch, die Aussage zu widerlegen, sondern brachte auf einmal die Rede darauf, daß der Kutscher Timofej und der Bauer Akim bei dem ersten Gelage in Mokroje auf dem Flur hundert Rubel, die Mitja in betrunkenem Zustand verloren hatte, vom Fußboden aufgehoben und Trifon Borissowitsch gegeben hatten, wofür dieser jedem von ihnen einen Rubel geschenkt hatte. »Nun, haben Sie damals diese hundert Rubel Herrn Karamasow zurückgegeben
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