Die Brueder Karamasow
oder nicht?« Wie sehr sich Trifon Borissowitsch auch drehte und wendete, nach der Vernehmung des Kutschers und des Bauern mußte er sich doch zu dem gefundenen Hundertrubelschein bekennen, wobei er nur hinzufügte, er habe Herrn Karamasow sofort alles gewissenhaft und mit der größten Ehrlichkeit zurückgegeben; dieser werde sich allerdings kaum daran erinnern können, da er zu jener Zeit ganz betrunken gewesen sei. Da er jedoch den Fund der hundert Rubel geleugnet hatte, bevor Timofej und Akim als Zeugen aufgerufen worden waren, rief auch seine Aussage über die Rückgabe dieser Summe an Mitja naturgemäß starke Zweifel hervor. Auf diese Weise mußte wieder einer der gefährlichsten Zeugen der Staatsanwaltschaft verdächtigt und mit beflecktem Ruf abtreten. Dasselbe widerfuhr den Polen. Sie traten sehr stolz und selbstbewußt auf und bezeugten laut, daß sie erstens beide »dem Staat gedient« hätten und daß zweitens »Pan Mitja« ihnen dreitausend Rubel angeboten habe, um ihnen dafür ihre Ehre abzukaufen, und daß sie drittens große Geldsummen in seinen Händen gesehen hätten. Pan Mussialowicz spickte seine Sätze mit vielen polnischen Wörtern, und da er sah, daß dies sein Ansehen in den Augen des Präsidenten und des Staatsanwalts erhöhte, wurde er schließlich so keck, daß er nur noch polnisch sprach. Doch Fetjukowitsch fing auch diese beiden in seinen Netzen. Trotz aller Winkelzüge, die der zum zweitenmal aufgerufene Trifon Borissowitsch machte, mußte er doch einräumen, daß Pan Wroblewski die von ihm, Trifon, gebrachten Spielkarten mit seinen eigenen vertauscht und daß Pan Mussialowicz als Bankhalter betrogen hatte. Das bestätigte auch Kalganow, als er mit seinen Aussagen an die Reihe kam; und die beiden Polen entfernten sich, mit einiger Schande bedeckt und sogar unter dem Gelächter des Publikums.
Darauf erging es fast allen gefährlichen Zeugen ebenso. Jedem von ihnen konnte Fetjukowitsch einen moralischen Schmutzfleck anhängen, und den Betreffenden ein bißchen blamiert entlassen. Die Juristen und sonstigen Liebhaber von Kriminalprozessen verfolgten das mit Vergnügen, begriffen nur nicht, zu welchem großen entscheidenden Schlag das alles dienen sollte. Denn alle fühlten die Unwiderlegbarkeit der immer mehr und immer tragischer sich steigernden Beschuldigung. Aber sie sahen an dem Selbstvertrauen des »großen Magiers«, daß er ganz ruhig war. So warteten sie ab – ein solcher Mann konnte doch nicht umsonst aus Petersburg hierhergekommen sein: Er war doch wohl nicht der Mann, der unverrichteter Sache zurückkehren würde.
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3.
Die medizinischen Gutachten und ein Pfund Nüsse
Die Gutachten der ärztlichen Sachverständigen hatten ebenfalls nicht die Auswirkung, die Sache des Angeklagten günstig zu gestalten. Auch Fetjukowitsch schien, wie sich später herausstellte, auf diese Gutachten nicht sehr gebaut zu haben. Daß sie abgegeben wurden, geschah im Grunde nur auf Katerina Iwanownas Drängen, die speziell jenen berühmten Arzt aus Moskau hatte kommen lassen. Die Verteidigung konnte dadurch natürlich nichts verlieren, günstigenfalls wohl eher etwas gewinnen. Übrigens gestaltete sich die Sache wegen der Meinungsverschiedenheit der Ärzte zum Teil ein wenig komisch. Als Sachverständige waren erschienen: der berühmte Arzt aus Moskau, dann unser Doktor Herzenstube und endlich der junge Arzt Warwinski. Die beiden letzteren figurierten auch einfach als vom Staatsanwalt vorgeladene Zeugen. Als erster wurde in seiner Eigenschaft als Sachverständiger Doktor Herzenstube befragt. Er war ein alter Mann von siebzig Jahren, grauhaarig und kahlköpfig, von mittlerer Größe und kräftigem Körperbau. Bei uns in der Stadt schätzte und achtete man ihn sehr. Er war ein gewissenhafter Arzt und ein prächtiger, gottesfürchtiger Mensch, so etwas wie ein Herrnhuter oder Mährischer Bruder – genau weiß ich das nicht mehr. Er lebte schon sehr lange bei uns und führte einen anständigen Lebenswandel. Er war gut und menschenfreundlich, behandelte die armen Patienten und die Bauern umsonst, ging selbst in ihre elenden Kämmerchen und Hütten und ließ ihnen Geld für Arznei zurück; dabei war er jedoch eigensinnig wie ein Maultier. Ihn von einer Idee abzubringen, wenn sie sich einmal in seinem Kopf festgesetzt hatte, war ein Ding der Unmöglichkeit. Übrigens war es schon weithin in der Stadt bekannt geworden, daß sich der zugereiste berühmte Arzt in den zwei, drei Tagen seines
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