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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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das ist. Glauben Sie, wir sind imstande das nachzufühlen«, und so weiter und so fort. Trotzdem holten sie aus dieser Frau, die in ihrem hysterischen Anfall wie von Sinnen war, noch weitere Aussagen heraus. Mit außerordentlicher Klarheit, die, wenn auch nur für kurze Zeit, in Momenten solcher hochgradigen geistigen Anspannung häufig auftritt, schilderte sie, wie Iwan Fjodorowitsch in diesen zwei Monaten vor lauter Nachdenken, auf welche Weise er seinen Bruder, »diesen Unmenschen und Mörder«, retten könnte, fast den Verstand verloren habe.
    »Er quälte sich!« rief sie. »Immer wollte er die Schuld seines Bruders geringer erscheinen lassen; indem er mir gestand, daß auch er seinen Vater nicht geliebt und vielleicht sogar dessen Tod gewünscht habe. Oh, er hat ein empfindsames Gewissen! Er quälte sich mit seinem Gewissen! Er hat mir alles gestanden, alles! Er kam alle Tage zu mir und sprach mit mir wie mit seinem einzigen Freund. Ich habe die Ehre, sein einziger Freund zu sein!« rief sie plötzlich herausfordernd, und ihre Augen blitzten. »Er ist zweimal zu Smerdjakow gegangen. Das eine Mal kam er danach zu mir und sagte: ›Wenn nicht mein Bruder, sondern Smerdjakow den Mord begangen hat, dann bin ich vielleicht auch schuldig, weil Smerdjakow wußte, daß ich meinen Vater nicht liebte, und möglicherweise glaubte, daß ich seinen Tod wünschte.‹ Damals zeigte ich ihm diesen Brief, und er kam vollständig zu der Überzeugung, daß sein Bruder den Mord begangen hatte – und das warf ihn ganz zu Boden. Er konnte nicht ertragen, daß sein Bruder ein Vatermörder war! Schon nach einer Woche sah ich, daß ihn das krank gemacht hatte. In den letzten Tagen redete er irre, wenn er bei mir saß. Ich sah, daß sich eine Geistesstörung herausbildete. Er phantasierte im Gehen; in diesem Zustand haben ihn viele auf der Straße gesehen. Der auswärtige Arzt untersuchte ihn vorgestern auf meine Bitte und sagte mir, er stehe dicht vor dem Ausbruch eines Nervenfiebers – und an allem ist der da schuld, dieser Unmensch! Gestern erfuhr Iwan nun, daß Smerdjakow tot ist, und das hat ihn so erschüttert, daß er den Verstand verloren hat ... Und an allem ist dieser Unmensch schuld! Alles ist so gekommen, weil er diesen Unmenschen retten wollte!«
    Oh, so reden und solche Geständnisse machen, das kann man wohl nur ein einziges Mal im Leben, etwa in der Todesstunde, wenn man das Schafott besteigt. Für Katja war ein solcher Augenblick gekommen, und sie handelte ihrem Charakter gemäß. Das war dieselbe ungestüme Katja, die damals zu dem jungen Lebemann geeilt war, um ihren Vater zu retten; dieselbe Katja, die sich kurz vorher vor diesem Publikum stolz und keusch geopfert hatte, indem sie von »Mitjas edler Tat« erzählte, um das Schicksal, das ihn erwartete, wenigstens etwas zu mildern. Und jetzt brachte sie sich ebenso zum Opfer, nunmehr für einen anderen – und vielleicht hatte sie erst in diesem Augenblick zum erstenmal mit vollem Bewußtsein empfunden, wie teuer ihr dieser andere Mensch war! In Angst um ihn opferte sie sich auf, da sie plötzlich glaubte, er habe sich durch seine Aussage, er und nicht sein Bruder habe den Mord begangen, zugrunde gerichtet; sie opferte sich auf, um ihn, seine geachtete Stellung, seinen guten Ruf zu retten! Und dennoch ging ihr ein furchtbarer Gedanke durch den Kopf: Hatte sie auch nicht etwas Unwahres über Mitja gesagt, als sie ihre früheren Beziehungen zu ihm geschildert hatte – das war die Frage. Nein, nein, sie hatte ihn nicht absichtlich verleumdet, wenn sie geäußert hatte, Mitja habe sie wegen ihrer tiefen Verbeugung verachtet! Sie hielt das selbst für wahr; sie war vielleicht schon seit jeher fest davon überzeugt, daß Mitja, dieser offenherzige Mensch, der sie damals noch vergötterte, sich über sie lustig machte und sie verachtete. Und nur aus verletztem Stolz hatte sie sich damals mit ihrer krampfhaft überspannten Liebe an ihn gehängt, und diese Liebe hatte mehr Ähnlichkeit mit Rachsucht gehabt als mit Liebe. Oh, vielleicht hätte sich diese überspannte Liebe in wahre Liebe verwandelt, vielleicht wünschte Katja weiter nichts als dies; doch Mitja kränkte sie durch seine Untreue in tiefster Seele, und ihre Seele verzieh ihm das nicht. Der Augenblick der Rache kam ihr ganz unerwartet, und alles, was sich so lange und schmerzhaft in der Brust der gekränkten Frau angesammelt hatte, brach sich nun mit einemmal und wiederum unerwartet nach außen Bahn. Sie beging

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