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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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dann werde ich aufstehen und dich auf die Tausende von Millionen glücklicher Kinder hinweisen, die keine Sünde gekannt haben. Und wir, die wir um ihres Glückes willen ihre Sünde auf uns genommen haben, werden vor dich hintreten und sagen: Verurteile uns, wenn du das kannst und wagst! Du sollst wissen, daß ich dich nicht fürchte. Daß auch ich in der Wüste war, daß auch ich mich von Heuschrecken und Wurzeln ernährte, daß auch ich die Freiheit segnete, mit der du die Menschen gesegnet hattest, daß auch ich mich vorbereitete, in die Schar deiner Auserwählten, der Starken und Mächtigen, einzutreten mit dem heißen Wunsch, ihre Zahl voll zu machen. Aber ich kam zur Besinnung und hatte kein Verlangen mehr, dem Wahnsinn zu dienen. Ich kehrte zurück und schloß mich denen an, die deine Tat verbesserten. Ich ging fort von den Stolzen und kehrte zu den Demütigen zurück, um diese glücklich zu machen. Was ich dir sage, wird in Erfüllung gehen, und unser Reich wird errichtet werden. Ich wiederhole, schon morgen wirst du sehen, wie diese gehorsame Herde auf meinen ersten Wink herbeistürzt und glühende Kohlen für deinen Scheiterhaufen zusammenscharrt. Für den Scheiterhaufen, auf dem ich dich verbrennen werde dafür, daß du gekommen bist, uns zu stören. Wenn jemals einer vor allen anderen unseren Scheiterhaufen verdient hat, so bist du es. Morgen werde ich dich verbrennen. Dixi.‹«
    Iwan schwieg. Er war beim Sprechen in Eifer geraten und hatte sich von seinem Stoff hinreißen lassen. Doch als er fertig war, lächelte er auf einmal.
    Aljoscha hatte ihm die ganze Zeit schweigend zugehört; gegen Ende war er vor Erregung wiederholt im Begriff, den Bruder zu unterbrechen, hatte sich aber offenbar gewaltsam beherrscht. Doch jetzt sprang er plötzlich auf und fing an zu reden.
    »Aber, das ist ja Unsinn!« rief er errötend. »Deine Dichtung ist ein Lob Jesu, keine Schmähung, die du doch wolltest. Und wer soll dir glauben, was du da von der Freiheit gesagt hast? Muß man sie denn ausgerechnet so auffassen? Ist das etwa die Auffassung unserer rechtgläubigen Kirche? Das ist Rom, und nicht einmal das ganze Rom! Das ist eine Unwahrheit! – Das sind nur die schlechtesten Elemente des Katholizismus, die Inquisitoren, die Jesuiten! Und eine solche Phantasieperson wie deinen Inquisitor kann es überhaupt nicht geben. Was sind das für Sünden der Menschen, die da auf sich genommen wurden? Was sind das für Geheimnisträger, die einen bestimmten Fluch auf sich genommen haben, um die Menschen glücklich zu machen? Wann hat man von ihnen gehört? Wir kennen die Jesuiten, es wird schlecht über sie gesprochen, trifft aber auf sie zu, was du da sagst? Sie sind ganz und gar nicht so, überhaupt nicht ... Sie sind einfach die römische Armee für das künftige irdische Weltreich, an dessen Spitze der römische Erzpriester als Imperator stehen soll ... Das ist ihr Ideal, ohne alle Geheimnisse und ohne allen erhabenen Kummer ... Es handelt sich um das einfachste Verlangen nach Macht, nach schmutzigen irdischen Gütern, nach Ausbeutung, nach einer neuen Art von Leibeigenschaft, wobei sie natürlich selbst die Gutsbesitzer werden möchten. Das ist alles, was sie wollen. Vielleicht glauben sie gar nicht an Gott. Dein leidender Inquisitor ist nichts als Phantasie ...«
    »Halt, halt!« rief Iwan lachend. »Wie du dich ereiferst! Phantasie, sagst du. Nun meinetwegen. Gewiß ist es Phantasie. Aber erlaube mal, meinst du wirklich, die ganze katholische Bewegung der letzten Jahrhunderte sei tatsächlich weiter nichts als ein Streben nach Macht, nur um schmutziger Güter willen? Hat Vater Paissi dir das beigebracht?«
    »Nein, nein, im Gegenteil. Vater Paissi hat sich einmal sogar in deinem Sinn geäußert ... Doch nein, es war wohl anders, ganz anders«, verbesserte sich Aljoscha schnell.
    »Das ist für mich trotzdem wichtig zu wissen, eine wertvolle Nachricht, trotz deiner Einschränkung. Ich frage dich geradezu: Warum glaubst du, die Jesuiten und Inquisitoren hätten sich einzig und allein um schnöder materieller Güter willen zusammengetan? Warum soll unter ihnen kein einziger Dulder sein, der große Qualen leidet und die Menschheit liebt? Nimm doch einmal an, unter allen, die lediglich nach schmutzigen materiellen Gütern streben, sei auch nur ein einziger von der Art meines greisen Inquisitors gewesen – einer, der selbst in der Wüste Wurzeln gegessen und gegen das Fleisch angekämpft hat, um frei und vollkommen zu werden,

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