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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Das sei ein schwieriger Balanceakt, der erforderte, dass man sich von der Vorstellung befreite, dass der andersartige Mensch auch wirklich andersartig war. Besser könne er es nicht erklären, aber darin bestehe also die Ähnlichkeit zwischen ihm und Gauguin.
    Bei der Vernissage am folgenden Tag herrschte großer Andrang. Die Besucher waren begeistert, und bald klebten neben der Hälfte der Gemälde rote Zettel. Die Ausstellung war also kommerziell erfolgreich. Es war auch nicht so andächtig still wie sonst immer bei Kunstausstellungen, sondern überall wurde lebhaft diskutiert. Sogar fröhliches Gelächter war hier und da zu hören.
    Unter den vielen bekannten und unbekannten Besuchern begegneten Sverre und Albie, die neben den jetzt fröhlich-entspannten und nicht mehr nervösen Arrangeuren Clive und Roger standen, einem Bekannten aus dem Muthaiga Country Club in Nairobi. Sicherheitshalber stellte dieser sich ihnen ein weiteres Mal vor. Es war Denys Finch Hatton. Er sprach Roger seine Bewunderung für seine Kunstvorlesungen aus, die er immer sehr geschätzt habe.
    Diese Begegnung war verblüffend. In Nairobi hatte Denys erzählt, dass er einen Hof westlich von D’s Anwesen gekauft habe, von dem er im Übrigen grüßen solle, aber trotzdem die Absicht habe, sich ganz auf die professionelle Jagd zu verlegen.
    Als sich Albie nach der Jagd erkundigte, horchte Clive Bell auf und erzählte, dass er selbst des Öfteren in British Columbia gejagt habe, und zwar überwiegend Bären, ­Elche und Weißschwanzhirsche. Albie ließ es sich daraufhin nicht nehmen zu erzählen, dass er bis auf den Elefanten alle fünf Großwildarten geschossen habe. Der Elefant fehle ihm auch nur, weil ihm bislang keiner mit ausreichend großen Stoßzähnen, also mit einem Gewicht über 175 Pfund, vor die Flinte gelaufen sei.
    Sverre war verblüfft. Dass sich der Kunstkritiker und Maler Clive für etwas Primitives wie die Jagd interessierte, hätte er nie gedacht. Oder auch dass der demonstrativ männliche Denys Finch Hatton sich für moderne Kunst interessierte.
    Das alles konnte natürlich nur auf eine Art enden. Nach dem Vernissagedinner nahmen sie Denys und Clive an den Gordon Square mit und erzählten sich die ganze Nacht lang Jagdgeschichten, eine heldenhafter und dramatischer als die andere. Sverre hatte nicht viel beizutragen, erst als Denys begann, über einen Roman André Gides im neuen psychologischen Stil zu sprechen, Die enge Pforte, den er jetzt bereits zum zweiten Mal las, wobei ihm vieles auffiel, was ihm bei der ersten Lektüre entgangen war.
    Dann wurde wieder über die Jagd gesprochen und noch mehr Whisky getrunken, zu viel Whisky. Rheinwein passte nicht zu Jagdgeschichten. Sverre zog sich mit der Bemerkung zurück, er zumindest habe genug getrunken, um schlafen zu können, ohne sich den Kopf zu zerbrechen, was die Zeitungen am nächsten Tag schreiben würden. Außerdem interessiere er sich nicht für die Jagd. Albie war überzeugt, dass die Besprechungen positiv ausfallen würden, das habe während der gesamten Vernissage in der Luft gelegen. Dann begann er von seinem ersten Büffel zu erzählen.
    Dass die Besprechungen ein totales Fiasko beschrieben, wäre noch eine Untertreibung gewesen. Auch ein Wort wie Katastrophe war noch zu milde.
    Das Durchschnittsurteil formulierte der einflussreiche Kritiker Charles Ricketts, der sich fragte, ob wirklich erwartet werde, dass jemand diesen Müll ernst nehme.
    Cézanne wurde als gänzlich unbegabter Künstler bezeichnet, den alle klecksenden Fünfjährigen übertrafen. Die Kritiker beschrieben die Ausstellung »Manet und die Post-Impressionisten« abwechselnd als Ausdruck von Geis­teskrankheit und Bedrohung der europäischen Kultur, als Angriff auf sowohl die Ästhetik als auch den Gedanken. Es gab keine untere Grenze für die Widerwärtigkeiten, mit denen sich die Kritiker in ihren Vergleichen zu überbieten suchten. Einer von ihnen bezeichnete die Ausstellung als Landesverrat, indem er einen Zusammenhang mit der Bedrohung durch das erstarkende Deutschland herstellte oder eine indirekte Zusammenarbeit mit den streikenden Bergarbeitern in Wales vermutete, die England vom Westen bedrohten, während diese pervers degenerierte Kunst England, den guten Geschmack und die Sitten vom Osten gefährdeten.
    Nie zuvor, meinte die Times, sei eine solche Kombi­nation an Geschmacklosigkeit und Mangel an Gefühl für Form und Inhalt in England ausgestellt worden, deswegen müsse diese

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