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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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für verrückt erklärte. Nur so sei nachvollziehbar, dass er diese fürchterlichen Irrenhausbilder ausstellte. Möglicherweise sei sein Wahnsinn dadurch zu erklären, dass man seine Ehefrau in eine Irrenanstalt eingewiesen habe.
    Leider entsprach das der Wahrheit. Roger Frys Ehefrau Helen befand sich tatsächlich in einer Nervenheilanstalt, und die Prognose war laut den Ärzten schlecht.
    Die verrückte Steinewerferin und Brandstifterin Pankhurst brachte die Bloomsbury-Frauen schließlich dazu, ihre Wut auf etwas anderes zu richten. Mit »Tieren« und »Geisteskrankheit« in Verbindung gebracht zu werden, wie in der kon­servativen Presse geschehen, war eine Sache. Aber in einem Atemzug mit der Pankhurst genannt zu werden, ging dann doch zu weit. Niemand hatte dem Kampf um das Frauenwahlrecht so sehr geschadet wie diese fürchterliche Frau. Virginia erinnerte daran, dass noch fünf Jahre zuvor eine halbe Million Menschen für das Frauenwahlrecht demonstriert hätte. Mit wie vielen Gesinnungsgenossinnen hatte die Pankhurst die Polizisten vor dem Parlament angegriffen? Mit dreihundert. Damit war alles gesagt. Sie war die einzige Frau in England, die die Einführung des Frauenwahlrechts in England verhindern konnte. Alle Frauen in Bloomsbury hatten inzwischen einen Hass auf sie.
    Die roten Zettel an den Gemälden, für die sich am ersten Tag Käufer gefunden hatten, verschwanden wieder. Einer nach dem anderen entschuldigte sich damit, dass ihm ein Irrtum unterlaufen sei. Obwohl es nicht zum guten Ton gehörte, genauso wenig wie bei einer Auktion nicht zu seinem Gebot zu stehen, konnten sie keine zehn Pferde dazu bringen, Besitzer eines billigen van Gogh, Cézanne oder, noch schlimmer, eines Gauguin zu werden.
    Albie bemerkte trocken, er habe damit offenbar einiges an unverkäuflicher Kunst am Hals. Dieses Schicksal teilte er mit dem gesamten Bloomsbury-Freundeskreis, der das Geld vorgestreckt hatte. Bei ihnen würden in Zukunft etliche unverkäufliche Gemälde an den Wänden hängen.
    Sverre brauste auf, dass es sich um wunderbare Werke handele, insbesondere die Beiträge des am wenigsten bekannten Malers, van Gogh, die jetzt für eine sehr geringe Summe zu haben seien. Da gebe es doch wohl nichts zu klagen!
    Es seien etwa fünfzig vernichtende Besprechungen in der Londoner Presse erschienen, aber immerhin hätten 50 000 Besucher die Ausstellung in kurzer Zeit gesehen und die meisten von ihnen im Gegensatz zu den Rezensenten verstanden, was sie gesehen hatten. Da sie jedoch Engländer seien, hätten sie es nicht gewagt, das laut zu sagen, nachdem die Obrigkeit begonnen habe, von Perversion und der deutschen Bedrohung zu sprechen. Er selbst stehe zu seiner Begeisterung für die Van-Gogh-Gemälde, die sich jetzt dank der verstockten Londoner Presse in seinem Besitz befänden. Von diesen Bildern würde er sich nie mehr trennen, höchstens, wenn der Tod sie scheide, scherzte er und umarmte Albie, der bei dem missglückten Kunstgeschäft am meisten Geld verloren hatte.
    »All right«, meinte dieser. »Jetzt heißt es, Haltung bewahren. Es hätte schlimmer kommen können, als dass hier plötzlich eine Menge van Goghs an den Wänden hängen.«
    *
    Es handelte sich um eine Katastrophe fast biblischen Ausmaßes. Und wäre Lady Sophy nicht gerade auf dem Privatfriedhof von Manningham beigesetzt worden, wären Albie, Sverre und Margie ebenfalls an Bord gewesen. Die drei hatten im letzten Augenblick absagen müssen, um die Beerdigung an Pennies und Gals Rückkehr nach Mombasa anpassen zu können. Lord Dorset und seine Ehefrau hatten die Suite, die Albie an Bord gemietet hatte, dankbar übernommen.
    Lady Dorset gehörte zu den Überlebenden, so wie Margie vermutlich ebenfalls überlebt hätte, denn offenbar war es Brauch, die Frauen aus der ersten Klasse als Erste zu retten. Aber Lord Dorset, der häufig auf Manningham bei Albies Vater zu Gast gewesen war, war tot, so wie Albie und Sverre vermutlich ebenfalls umgekommen wären.
    Der Donnerstagabend in Bloomsbury war ungewöhnlich gut besucht. Außer denen, die immer dort waren, wie Virginia, Vanessa und Clive, erschien Keynes zusammen mit Lytton Strachey und ihrem Philosophenfreund Bertrand. Der große Unterschied dieses Mal war, dass man sich den gesamten Abend auf ein einziges Gesprächsthema konzentrierte.
    Die erste Frage war rein technischer Art und wurde von allen Seiten an die ausgebildeten Ingenieure in der Runde, Albie und Sverre, gerichtet.
    Die Titanic sei doch unsinkbar

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