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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Unterstützung, jemand, mit dem er die Probleme unter menschlichen statt finanziellen Gesichtspunkten erörtern konnte. Er wollte niemanden entlassen und natürlich auch niemanden einstellen. Auf lange Sicht würde sich das Problem also lösen.
    Sie konnten im Sommer also malen, den alten Kutschern das Autofahren und das Reparieren von Automobilen beibringen und beim Abendessen die moralischen Probleme erörtern, die durch überflüssige Bedienstete, die sie nicht einfach wegschicken konnten, auftraten. Nachts würden sie sich wie früher lieben. So sah Albies Plan zumindest aus.
    Sverre scherzte, die perfekte Lösung sei eine bolschewistische Revolution. Albie wandte trocken ein, dass damit die bürgerliche Malerei und die Freuden der hellenistischen Liebe ein Ende hätten. Sie müssten also eine reformistisch-humanistische Lösung finden und einen herrlichen Sommer zusammen verbringen.
    *
    Roger Fry, Clive Bell und ihr Partner beim Ausstellungsprojekt, Desmond McCarthy, hatten bei ihrer zweimonatigen Einkaufsreise nach Paris einiges erreicht. Mit 35 Gemälden von Gauguin, 22 von van Gogh, 21 von Cézanne, etwa 10 von Manet sowie einigen Dutzend von unbe­deutenderen Malern wie Georges Seurat kehrten sie zurück.
    Die Galeristen von Grafton Galleries waren abwechselnd Feuer und Flamme und entsetzt über diesen Überfluss, der wie eine künstlerische Bombe in England einschlagen würde.
    Sverre und Margie waren behilflich, die Bilder zu hängen. Sie arbeiteten in einem Glücksrausch und waren davon überzeugt, die schönste und beste Kunstausstellung der Weltgeschichte zusammenzustellen. Die frühen Impressionisten in Paris hatten sich mit viel kleineren Ausstellungen begnügen müssen, und während der klassischen Periode hatten überhaupt keine öffentlichen Ausstellungen stattgefunden, da damals die Kunst nicht für das Volk, sondern nur für die Oberschicht bestimmt gewesen war. Am meisten überraschten Sverre die Variationen in Dunkel­blau, die ihm selbst vorgeschwebt hätten, wie er behauptete, und dass er sogar schon vor Afrika damit experimentiert habe. Jetzt fand er sie in einer Sternennacht an der Rhône von van Gogh wieder und in zwei Gemälden Cézannes, die Die Badenden und Château Noir hießen. Die Ba­denden waren am faszinierendsten, zehn Nackte in einer blauen Nacht, gruppiert wie zum Tanz oder bei einer heimlichen Versammlung. Aus diesem mystischen Dunkel bewegte Cézanne sich zu einfachen Stillleben mit Früchten, die auf den ersten Blick nichts anderes zu enthalten schienen als die sicheren Farbkombinationen, die die Wirklichkeit unwirklich und dann wieder wirklich werden ließen. Das, womit Sverre ständig kämpfte, sah bei ­Cézanne so einfach aus.
    Am meisten beeindruckten Margie und Sverre bei van Gogh die unerhörte Selbstsicherheit bei den Farben und die breiten, weit ausholenden Pinselstriche. In der Nacht vor der Vernissage – sie hatten ihre Langsamkeit mit vielen zusätzlichen Arbeitsstunden bezahlen müssen – kehrten sie in das Atelier am Gordon Square zurück. Sverre zeigte Margie, wie van Gogh gearbeitet hatte. Rasch imitierte er eine Sonnenblume des Meisters, er trug eine Farbschicht nach der anderen auf und arbeitete ebenso viel mit dem Palettenmesser wie mit dem Pinsel. Gelegentlich benutzte er sogar die Finger. Auf der Leinwand entstand eine gelungene Kopie. Margie war beeindruckt, und Sverre gab mit leiser Stimme zu, dass das sein ewiges Problem sei. Er sei ein hervorragender Kopist, aber nie so frei, selbstständig und selbstbewusst wie ein Cézanne oder van Gogh, die direkt mit ihren Gefühlen malten, ohne eine Sekunde lang daran zu denken, was ihre Umwelt finden oder bezahlen würde. Von dieser Technik – breite, rasche Pinselstriche, mehr Farbe – solle sich Margie inspirieren lassen, meinte Sverre. Das würde besser zu ihrer Vorliebe für Collage und Abstraktion passen als ihre vorsichtige Pinselführung. Außerdem solle sie versuchen, mit dem Palettenmesser zu arbeiten.
    Einer der in Paris erworbenen Meister, mit dem Sverre sich verglich, war Gauguin, dessen Südseebewohner stark an Sverres Massai erinnerten. Als Margie einwandte, dass ja wohl ein beträchtlicher Unterschied zwischen den Massai und Südseebewohnern bestünde, sagte Sverre eingeschnappt, so möge es wirken, wenn man nur die Motive und die körperlichen Eigenschaften der Modelle betrachte. Aber nicht darin bestehe die Ähnlichkeit, sondern dass es gelungen sei, das Exotische menschlich zu gestalten.

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