Die Brueder
Schriftsteller angeworben, die für das Imperium arbeiten sollten. Wie beispielsweise jene, die bis vor ungefähr einem Jahr Karikaturen von Deutschen angefertigt hätten, die diese als Affen und Schweine darstellten. Vermutlich seien sie im Augenblick damit beschäftigt, Karikaturen von Iren zu zeichnen. Die Schriftsteller seien kein bisschen besser, fast jedes neue Theaterstück handele von deutschen Spionen, und von John Buchan sei ein Buch über Spione, Verschwörungen, heimliche Radiosender und die heldenhaften Detektive von Scotland Yard erschienen. Auch Arthur Conan Doyle sei gekauft.
Politischer könne die Kunst kaum werden. Oder?
Also könne die Aufgabe pazifistischer Künstler für den Fall, dass sich die Kriegstreiber wieder zu Wort meldeten, darin bestehen, das Gegenteil zu tun.
»Und zwar wie?«, fragte Albie voller Misstrauen. Sie standen auf dem Place de l’Étoile und betrachteten den Triumphbogen, der sie weniger der bombastischen Architektur wegen begeisterte, sondern weil es sie mit einem Gefühl der Freiheit erfüllte, die Pariser Luft zu atmen.
Sverre überlegte.
»Wie wäre es, wenn wir Kiplings Propaganda umkehrten«, begann er, »man stelle sich ein Bild vor, auf dem er leicht wiederzuerkennen von einem Schwein geschultert wird … einem Schwein, das wie ein Maler eine Baskenmütze trägt und dessen Vorderhufe Pinsel und Palette halten … Sie stehen vor einer Staffelei, und das Schwein versucht ein Schwein mit Pickelhaube zu malen … Auf der Leinwand entsteht jedoch ein vollkommen realistisches Porträt des Kaisers. Kipling ist nicht zufrieden und sagt etwas in der Art, der Kaiser sehe viel zu menschlich aus, und da antwortet das Malerschwein, über dessen Schwänzlein im Übrigen der Union Jack hängt, damit es nicht unsittlich nackt wirkt: Aber ja doch, Sir, das ist ja das Entsetzliche.«
Albie lachte nicht. Sein Einwand lag auf der Hand. Nur weil der Feind die Kunst auf den Strich schicke, gäbe es noch lange keine Veranlassung, ebenfalls so tief zu sinken.
Sie ließen das Thema auf sich beruhen. Sverre beschloss, sich beim nächsten Mal etwas Besseres einfallen zu lassen und vor allen Dingen die Karikatur anzufertigen, ehe er das Thema wieder aufgriff.
Sie nahmen eine Automobildroschke zum Café de Flore in Saint-Germain-des-Prés, wo sie Roger Fry zu einem späten Souper treffen wollten. Er war nach Paris gekommen, um Künstler zu treffen und eventuell Bilder für eine neue Londoner Ausstellung zu besorgen, die Albie finanzieren sollte. Roger hatte die englischen Kunstliebhaber noch nicht verloren gegeben, was auf eine außergewöhnliche Ausdauer oder einen nicht weniger außergewöhnlichen Optimismus schließen ließ. Beides war bewundernswert.
Das Café de Flore war im Jugendstil eingerichtet. Die Trennwände zwischen den Tischen wiesen verzierte Bleiglasfenster mit Blumenornamenten auf. Die Bänke waren mit rotem Leder gepolstert. Es war laut, und der Zigarettenrauch stand so dicht, dass sie Mühe hatten, den heftig in perfektem Französisch diskutierenden Roger ganz hinten im Lokal zu finden.
Zwei Stühle wurden herbeigezaubert, und die frisch eingetroffenen englischen Gäste zwängten sich in die Runde und versuchten, der Diskussion zu folgen, die doppelt so schnell geführt wurde wie eine englische. Es schien eher um Politik zu gehen als um Kunst. Die deutschen und die französischen Sozialisten wollten sich verbünden, um die Oberklasse daran zu hindern, die eigenen Arbeiter aufeinanderzuhetzen. Friedenskonferenzen wurden sowohl in Paris als auch in Berlin vorbereitet. Obwohl die Gefahr eines Krieges bis auf Weiteres abgewendet war, musste man auf der Hut sein. Die französische Obrigkeit wünschte den Krieg, das Volk lehnte ihn ab. In Berlin schien die Lage ähnlich zu sein. Und ohne die Unterstützung des Volkes würden die Generäle nichts erreichen!
So in etwa schien die Diskussion zu verlaufen, soweit Albie und Sverre, der des Französischen nicht sonderlich mächtig war, erkennen konnten. Unter normalen Umständen hätte Albie eine solche Unterhaltung ernüchternd gefunden, aber die Stimmung war herzlich und optimistisch, und das Gespräch wurde in so leichtem Ton geführt, dass sie sich von der verführerisch euphorischen Vorstellung mitreißen ließen, der Große Krieg, auf den so viele Engländer hofften, sei ein so offensichtlicher Wahnsinn, dass er ohne die Unterstützung des Volkes nicht ausbrechen könne.
Während er zuhörte, zog Sverre einen
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