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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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weichen Bleistift aus der Jackentasche und karikierte einen deutschen, einen französischen und einen englischen General, die mit Revolvern in der Hand Soldaten, die desinteressiert die Arme über der Brust verschränkt vor ihnen standen, den Angriff befahlen. Das nächste Bild zeigte, wie sich die drei Generäle unter dem heftigen Applaus der Soldaten gegenseitig erschossen. Auf dem dritten, das den Rest des Papiertischtuchs einnahm, lagen die drei dickbäuchigen toten Generäle aufeinander, während die Soldaten zufrieden nach Hause gingen.
    Da entdeckte ein junger Mann die Bilderserie, wischte Gläser und Flaschen mit einer Bewegung vom Tisch und hielt das Papiertischtuch in die Höhe, damit es alle betrachten konnten. Jubel und Beifall brachen aus. Sofort wurde mehr Wein gebracht, dann stimmte jemand die Internationale an, und alle sangen mit, was zu einem gewissen Durcheinander führte, weil Albie und Sverre nur den deutschen Text kannten.
    Nach einer Weile erreichte der Lärmpegel am Tisch unerträgliche Höhen, insbesondere für Leute, die mit dem modernen französischen Künstlerjargon nicht vertraut waren. Als sich drei weitere Maler hinzugesellten, nutzte Roger Fry die Gelegenheit, ihnen seinen, Albies und Sverres Platz zu überlassen und dabei eine unverständliche Erklärung abzugeben. Wenig später saßen sie in akustisch beruhigendem Abstand allein an einem Tisch.
    »Ist es nicht wunderbar, frische Pariser Luft zu atmen?«, scherzte Roger, nachdem er eine Flasche Burgunder bestellt hatte.
    Die beiden Freunde stimmten ihm zu, obwohl die rauchgeschwängerte Luft im Café de Flore an den dichtesten Londoner Nebel erinnerte. Verglichen mit der englischen hassverseuchten Atmosphäre war Paris rein und frisch.
    Roger hatte eine Idee, die er mit Albie und insbesondere mit Sverre besprechen wollte, denn er hatte kurz vor seiner Reise nach Paris am Fitzroy Square Räumlichkeiten entdeckt, die sich für das gemeinsame Projekt eigneten. Zusammen mit Vanessa, Duncan Grant und Margie hatte er dort mit einer ganz neuen Art der Kunstproduktion be­gonnen. In den Omega Workshops wollte man Kunst billig oder zumindest zu erschwinglichen Preisen verkaufen: Tische, Stühle und Keramik, die von modernen Künstlern entworfen wurden. Die Werke wurden jedoch nicht individuell, sondern einfach nur mit dem Buchstaben Omega signiert.
    Auf diese Weise wurde der unsinnige Gegensatz zwischen dekorativer Gebrauchskunst und moderner, hochqualitativer Kunst thematisiert. Die sogenannte Kunstexpertise, also die Unterdrückung von Geschmack und Verständnis, musste umgangen werden, indem man sich direkt an die Allgemeinheit wandte, beispielsweise mit Tischplatten im fauvistischen Stil, wie von Henri gemalt, der im Übrigen gerade auf dem Weg ins Café de Flore war. Wenn die Leute den Verstand besäßen, ihre Wohnungen mit solchen Gegenständen zu schmücken, und diese ständig um sich hätten, dann würden sie auch ein ganz neues Gefühl und Verständnis für die Malerei der Moderne entwickeln.
    Dies war kurz gesagt die Idee. Roger Fry sah die beiden anderen erwartungsvoll an.
    »Ist Duncan Grant wieder dabei?«, erkundigte sich Sverre.
    »Ja«, erwiderte Roger, und seine Miene verfinsterte sich. »Vanessa und er leben mittlerweile zusammen.«
    »Merkwürdig. Ich dachte, du und Vanessa …«
    »Nein, das ist vorbei. Aber wir sind natürlich Freunde wie früher und alle drei gleichermaßen an den Omega Workshops beteiligt. Sonst noch Fragen?«
    Die Spitze war nicht zu überhören. Sverre schämte sich, ins Fettnäpfchen getreten zu sein, aber er war einfach nur neugierig gewesen. Jetzt wollte er seinen Fauxpas wieder, gutmachen und stellte Überlegungen an, welche Strömung der modernen Kunst sich am besten für dieses popularisierende und geradezu demokratische Projekt eignen würde. Der Kubismus vielleicht, jedenfalls abstrakte Muster und Collage, das würden auch Vanessa und Margie gutheißen. Abstrakte Farbkombinationen wären in einem Heim von dauerhafterer Schönheit als gegenständliche Kunst. Wer wünschte sich schon das Porträt eines Massai-Kriegers über seinem Küchentisch? Konnte man nicht auch Texti­lien entwerfen statt nur Möbel?
    Als sich das Gespräch nicht mehr darum drehte, wer mit wem schlief, sondern um die Hauptsache, nämlich wer was entwerfen konnte, hob sich Rogers Laune zusehends. Was die Textilgestaltung betraf, so verstand es sich von selbst, dass man sich auch damit befassen könne.
    Hinter Roger, der zu

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