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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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offenbarte Carringtons zornige Kritik an den unendlichen Wahnsinnsvariationen und der Idiotie des Krieges, die er jedoch in eine Lobeshymne auf die überlegene und intelligente englische Militärführung kleidete. So kommentierte er eine den U-Boot-Krieg betreffende Äußerung des First Sealord in der Times folgendermaßen: »Natürlich besitzt England keine U-Boote. Das wäre unter der Würde der Marine Seiner Majestät. U-Boote sind unbritisch, denn wir kämpfen, wie wir es immer getan haben, wie Gentlemen an der Oberfläche. U-Boot-Besatzungen sollten bei Gefangennahme wie Piraten behandelt und auf der Stelle gehängt werden.«
    Carringtons lautstarkes Lob anlässlich dieser weisen Entscheidung fand im Saal allgemeine Billigung. Es wurde zustimmend gemurmelt und genickt, und unbegreiflicherweise schien niemand die Ironie zu durchschauen.
    Gerne ließ sich Carrington indirekt über die Idiotie des Krieges aus, über seine persönlichen Erfahrungen schwieg er jedoch lieber. Sverres Neugier nahm also zu, je mehr Zeit sie zusammen verbrachten, schließlich erhielt er auch auf seine direkte Frage hin, wie und wo Carrington sein Bein verloren habe, eine Antwort.
    »In Passchendaele«, antwortete er, wobei er den seltsamen Ortsnamen geradezu ausspuckte. »Nicht so berühmt wie manche anderen Schlachtfelder, ich vermute, Sie haben von diesem Ort nie gehört, obwohl er uns Engländern unglaublich wertvoll ist.«
    »Nein«, räumte Sverre ein. »Klingt, als läge er in Bel­gien, aber warum ist dieser Ort so wertvoll?«
    »Weil wir dort bis heute über eine Viertelmillion Soldaten verloren haben. Zumindest war das die aktuelle Zahl, als mir das Bein abgerissen wurde und man mich nach Hause schickte. Mit anderen Worten ein strahlender Sieg.«
    Sverre konnte seiner Argumentation nicht folgen.
    »Entschuldigen Sie, wie kann es sich um einen strahlenden Sieg handeln, wenn eine Viertelmillion unserer ei­genen Soldaten gefallen ist und der Kampf immer noch andauert?«, fragte er, weil Carrington das von ihm zu erwarten schien.
    »Das versteht ein Zivilist natürlich nicht so ohne Wei­teres, das ist mir klar«, erwiderte Carrington mit der für Armeeangehörige typischen herablassenden Betonung des Wortes Zivilist. »Aber jetzt haben wir einen neuen, erstklassigen Oberbefehlshaber in Belgien, General Haig. Er hat den möglicherweise etwas weniger erstklassigen French abgelöst, der sich seiner Kavallerieerfahrungen aus dem zweiten Burenkrieg bedienen wollte und den man deswegen zur Erfüllung einfacherer Aufgaben nach Irland geschickt hat. Wie auch immer. Haig hat eine sehr ausgefeilte mathematische Methode eingeführt, anhand derer sich unsere Erfolge messen lassen. Was er uns bereits am ersten Tag, nachdem er den Oberbefehl übernommen und 34 000 Mann verloren hatte, erklärte. Diese besondere Berechnungsart ergab rasch, dass die Deutschen ebenfalls 34 000 Mann verloren hatten, Verluste in einer Größenordnung, die sie auf Dauer nicht verkraften würden. Also hatten wir den Deutschen bereits zu dem Zeitpunkt, als ich nach Hause entlassen wurde, eine vernichtende Niederlage beigebracht, indem wir selbst eine Viertelmillion Soldaten verloren. Das ist doch einleuchtend, nicht wahr?«
    »Natürlich, jetzt, wo Sie es sagen«, gab Sverre zu und kam zu dem Schluss, dass sich wohl kaum die Miene eines selbstzufriedenen Kriegshelden, der freudig ein Bein und fast alle seine Kommilitonen für England, das Empire und die Demokratie geopfert hatte, für das Gemälde eignete.

XI – Von Blau zu Schwarz
    Charleston Farmhouse, 1918
    Sein letztes Jahr in Manningham nannte Sverre halb im Scherz seine blaue Periode, womit er nicht nur auf seine Melancholie und seine ständige Sorge um Albie anspielte, sondern ganz konkret ausdrückte, dass er fast nur noch mit drei Blaunuancen, Schwarz und Weiß malte. Am besten war ihm seiner Meinung nach ein nächtliches Bild von Manningham House gelungen, auf dem der obere Teil des Schlosses in der blauschwarzen Dunkelheit kaum zu erkennen war, aber dennoch bedrohlich auf den grell erleuchteten Fenstern des ersten Stockwerks zu lasten schien, deren Gelb- und Rottöne eher den Eindruck eines Feuers erweckten, als nähere sich das Haus brennend seinem Untergang. Wie die Welt, Albie und auch Sverre selbst.
    Anfänglich hatte er mit breiten Pinselstrichen und einer Farbschicht nach der anderen gearbeitet, um der Untergangsvision Gewicht zu verleihen. Als ihm diese Arbeitsweise nach einiger Zeit zu deprimierend

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