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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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wieder auf den Stuhl gestellt, und alle betrachteten es auf Abstand. Vanessa organisierte eine lustige Zeremonie, einer nach dem anderen trat vor und verbeugte sich feierlich vor dem Gemälde, wobei Sverre immer mehr in Verlegenheit geriet.
    In der Ferne donnerte es. Sverre schaute erstaunt in den vollkommen blauen Himmel. Margie bemerkte seine Verwunderung.
    »Mach dir keine Gedanken, das ist nur die Artillerie in Frankreich«, sagte sie. »An windstillen Tagen ist sie bis nach Sussex zu hören, aber ob es sich um deutsche oder um unsere eigenen Kanonen handelt, ist schwer zu sagen.«
    Dann ging das Fest weiter.
    *
    Charleston Farmhouse war ein Gesamtkunstwerk. Wände, Türen, sogar das Dach und die Badewanne waren von Vanessa, Duncan oder sehr unterschiedlich begabten Gästen dekoriert worden. Es handelte sich um eine chaotische Mischung von Stilen und Motiven, und die Einfälle hatten keine Grenze gekannt. Eine Bierflasche verwandelte sich in ein Kunstwerk, indem man sie mit roten und weißen Streifen bemalt an die Decke hängte, und ein alter Vogelbauer erhielt eine ganz neue symbolische Bedeutung, wenn man ihn mit Goldfarbe bemalte und mit geöffnetem Türchen ins Fenster stellte. Der Durchgang zur Küche verwandelte sich anhand angedeuteter Säulen und Kapitelle in einen römischen Tempel. Sverre fand diese ungehemmte Verspieltheit unordentlich, aber auch charmant. Sie zeigte, was mit den Omega Workshops bezweckt wurde, dort sollten die Leute lernen, mit dem Modernismus zu spielen, man wollte sie zum Homo ludens, dem spielenden Menschen, von dem vor dem Krieg so viel die Rede gewesen war, heranbilden.
    Vanessa bat Sverre, die Tür seines Gästezimmers im zweiten Stock mit einer Kopie des Manningham-Bildes zu verzieren, und er zog sich mit der Erläuterung aus der Affäre, dass derart dicke Farbschichten ewig nicht trocknen und die Kleider der Gäste ruinieren würden. Er versprach ihr, sich etwas anderes einfallen zu lassen, was gar nicht so einfach war, da alles und nichts in das bereits vorhandene Sammelsurium passte.
    Der spontane Irrsinn gefiel Sverre. Wohin er sich auch immer im Haus begab, stieß er auf etwas, was ihn schmunzeln ließ. Mit den Gemälden Vanessas und Duncans hin­gegen tat er sich schwerer.
    Er hatte nicht die Absicht, ihnen auch nur andeutungsweise mitzuteilen, was er von ihrer Malerei hielt, am al­lerwenigsten jetzt, wo ihn Roger zum Malergenie des Freundeskreises ausgerufen hatte, so wie Virginia stets als Schriftstellerin gegolten hatte. Jahraus, jahrein war von ihrer Genialität die Rede gewesen, obwohl sie erst kürzlich ihr erstes Buch veröffentlicht hatte. Ihr Anspruch und das Bewusstsein ihrer eigenen Größe hatten ihn immer in Verlegenheit gebracht.
    Was Vanessa und Duncan betraf, erging es ihm ebenso. Sie waren einfach lausige Maler, und daran würde sich, auch wenn sie noch so viel übten, nichts ändern. Außerdem verachteten die beiden Technik genauso sehr wie das Üben. Alles sollte »von innen« kommen.
    Nicht unerwartet nahmen zwei Porträts, die die beiden gemalt hatten, einen peinlich prominenten Platz im Haus ein.
    Vanessas Bild ihrer Schwester Virginia war verblüffend. Es zeigte einen jungen Mann mit Schnurrbart anstelle der Oberlippe, der in einem Ohrensessel saß und etwas Rotes strickte. Die Gestalt hatte vier Finger an der linken Hand und eine riesige, eckige Nase, die an eine Katzenschnauze erinnerte.
    Duncans Porträt Vanessas war noch schlimmer. Sie saß in einem sackartigen Sommerkleid halb zurückgelehnt auf einem – natürlich – roten Sofa und glich einem wütenden oder auch betrunkenen Seehund, der an den Enden spitz zulief und in der Mitte am dicksten war. Stierer Blick, vier Finger an jeder Hand, Strohhut und Bücher im Hintergrund.
    Wie viele andere Maler imitierten sie Matisse, wobei sie dem kindischen Missverständnis erlagen, dass auch dieser weder Nasen noch Hände malen konnte. Wenn man sich nur an die von ihm bevorzugten Farbskalen hielt und sich auf etwa vier leuchtende Farben beschränkte, war man ein Matisse.
    Es war schier unerträglich, diese Ballung ahnungsloser Gewichtigkeit zu betrachten und niemals Einspruch erheben oder Verbesserungsvorschläge unterbreiten zu können. Sie hätten sich lieber auf Abstraktionen und Collagen beschränken und ihren Spieltrieb an Farben ausleben sollen, statt an Bildern zu basteln, die ihre Fähigkeiten überstiegen. Margie war in dieser Hinsicht klüger. Sie passte ihre Kunst an ihr Können an, was ihr

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