Die Brueder
seines eigenen Bataillons hinter seinem Rücken die gezierten Handbewegungen und das Hinternschwenken, das sie mit Homosexuellen assoziierten, nachahmten.
Die Worte, die Bertrand Russell an jenem Abend geäußert hatte, als sie beschlossen hatten, London zu verlassen, genauer gesagt aus London zu fliehen, trafen tatsächlich zu. Niemand konnte Albie ein Haar krümmen, solange er die Uniform trug.
Aber nach dem Krieg?
Immer wieder hatten sie diese Frage diskutiert, niedergeschlagen und beunruhigt, besonders nach Casements Hinrichtung.
England hatte mit den Rebellen des irischen Osteraufruhrs im Vorjahr nach guter strenger englischer Tradition abgerechnet. Die fünfzehn Rädelsführer waren erschossen worden. Einer von ihnen musste zum Hinrichtungsplatz getragen und mitsamt seiner Trage an einem Pfosten festgebunden werden, damit man ihn überhaupt erschießen konnte.
Roger Casement war gewissermaßen ein Landesverräter, weil er versucht hatte, deutsche Waffen zu den irischen Freiheitskämpfern zu schmuggeln, das stimmte. Aber in seiner Funktion als irischer Freiheitskämpfer konnte er schlecht gleichzeitig ein englischer Verräter sein. Außerdem hatte er dem Empire große Dienste erwiesen und war sogar in den Adelsstand erhoben worden. Seine Berichte aus dem Kongo hatten dem Massenmord an einer ganzen Nation Einhalt geboten, womit er der Menschheit einen Dienst erwiesen hatte. Zeitweilig war er sowohl mit Albie als auch mit Sverre eng befreundet gewesen.
Albies Affäre mit Roger war ihr großes Trauma gewesen. Irgendwann waren die Kränkungen überwunden gewesen, aber Casements bevorstehende Hinrichtung hatte sie wieder in Erinnerung gerufen.
Viele Intellektuelle, nicht nur George Bernard Shaw und Bertrand Russell, sondern auch patriotische Autoren wie Arthur Conan Doyle, die für das Propagandaamt arbeiteten und bei denen man damit nicht gerechnet hätte, hatten einen Aufruf unterzeichnet, Casement zu begnadigen.
Albie jedoch nicht, und darunter litt er, obwohl Sverre diese Entscheidung gutgeheißen hatte.
Während des Prozesses waren Casements fatale Tagebücher zur Sprache gekommen, in denen dieser mit pedantischer Genauigkeit Unkosten, Penisgrößen, Eigenheiten gewisser Penisse, Vorlieben unter den Südeuropäern und den von der Nationalität abhängigen Geschmack der Eichel festgehalten hatte. Das Motiv der Staatsanwaltschaft, diese für die Anklage des Hochverrats vollkommen irrelevanten Details zu veröffentlichen, lag auf der Hand. Sie wollte den Hass gegen Casement schüren, um ihn problemloser hinrichten lassen zu können. Allein seine sexuellen Neigungen stempelten ihn zum Landesverräter.
Hätte eine Unterschrift Albies unter das kollektive Gnadengesuch nicht womöglich eine neuerliche Woge des Misstrauens und Spotts gegen landesverräterische Sodomiten ausgelöst und Casement nicht mehr geschadet als genützt?
Sverre fand diese Argumentation sehr überzeugend. Es wäre besser, wenn Albie nicht unterschrieb, und das hatte nichts mit Mut oder Feigheit zu tun, sondern nur mit gesundem Menschenverstand. Sie waren schließlich beide kein Shaws oder Russells, aber deswegen verfügten sie doch über einen gewissen Menschenverstand.
Die Geschichte hatte sie beide ziemlich mitgenommen. Jetzt war Casement tot, und sein Leichnam war zwecks Beschleunigung der Zersetzung mit ungelöschtem Kalk in eine Grube geworfen worden, eine etwas rätselhafte Form zusätzlicher staatlicher Rache.
Die missglückte Befreiung Irlands war möglicherweise ein abgeschlossenes Kapitel. Der Krieg war die alles andere überschattende Plage.
Außerdem machte sich abends, nachdem nun Duncan Grant mit seinem Liebhaber Bunny in ein von Vanessa gemietetes Haus gezogen war, eine schwermütige Stimmung breit. Auch Vanessa hatte schließlich eingesehen, dass sich die Luft in London nicht mehr atmen ließ. Und so hatte sie für die Friedensfreunde den Plan ausgeheckt, eine eigene, für die Landesverteidigung unentbehrliche Landwirtschaft zu organisieren, die es ihren Künstlerfreunden und anderen intellektuellen Kriegsgegnern ermöglichen sollte, sich der Wehrpflicht mit dem Hinweis auf Landarbeit zu entziehen.
Duncan und Bunny hatten sich also verabschiedet und ins Charleston Farmhouse zu Vanessa begeben, um dort unter bedeutend bescheideneren Verhältnissen als auf Gut Manningham in der Landwirtschaft zu arbeiten. Man konnte nur hoffen, dass keine militärischen Behörden auf den Gedanken kamen, die Gärten des
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