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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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gewonnen, Daressalam ist eingenommen und fast ganz Deutsch-Ostafrika erobert. Es müssen nur noch ein paar wenige versprengte Truppenteile besiegt werden. Der Gegner besteht nur noch aus einer Handvoll Männer, und bei unseren Truppen herrscht ein Mangel an Offizieren.«
    »Du hast also vor, richtiger Soldat zu werden?«
    Sverres erstaunte Miene schmälerte Albies bisherige Entschlossenheit ein wenig. Er hätte nicht erstaunter sein können, wenn ihm Bertrand Russell oder Maynard erklärt hätten, nach reiflicher Überlegung in den Krieg ziehen zu wollen.
    »Erkläre mir, bitte, wie du dir das denkst«, sagte Sverre mit tonloser Stimme.
    Lord Delamere hatte berichtet, dass nach dem eng­lischen Sieg in Deutsch-Südwestafrika zehn Kriegsverdienstorden verliehen worden waren, obwohl bei diesem Miniaturkrieg nur elf Deutsche gefallen waren. Praktisch jeder Offizier, der bei der Kapitulation der deutschen Garnison zugegen gewesen war, hatte den zweithöchsten englischen Orden erhalten. Laut D stand jetzt in Ostafrika eine ähnliche Situation bevor. Von einem gerade erst in Afrika eingetroffenen Hauptmann wurde nicht mehr erwartet, als dass er neben den Infanteriesoldaten herritt und britisch aussah. Anschließend musste er bei der Siegesfeier stramme Habachtstellung einnehmen, »God Save the King« singen und sich daraufhin mit Orden behängen und von der Presse fotografieren lassen.
    Das war in gewisser Weise ein feiger Plan und die Moral eines solchen Ablenkungsmanövers, um sich des Militärjargons zu bedienen, höchst fragwürdig. Wenn nicht fast ein Betrug. Gleichzeitig handelte es sich um einen nachdrücklichen Beweis dafür, dass hellenistisch eingestellte Männer nicht feige waren. Zwar um einen falschen Beweis, aber was war in diesem Kriege schon echt?
    Im Krieg und in der Liebe war alles erlaubt, und hier ging es um beides. Früher oder später war der Krieg vorbei, und dann würde man alle Feiglinge und alle Verräter zur Rechenschaft ziehen. Kurz gesagt würde Albies kurzer Aufenthalt bei den King’s African Rifles ihr Leben nach dem Krieg absichern, so wie es seine Uniform im Augenblick tat. Sverre war immer noch überwältigt und hätte auf Anhieb nicht sagen können, ob er Albies Plan befürwortete oder ablehnte. Also brachte er einige praktische Gesichtspunkte vor.
    Konnte sich ein dekorativer Wiltshire-Offizier mit einem ererbten Titel einfach so nach Gutdünken einem kämpfenden Verband in Afrika anschließen? Lord Dela­meres Kontakte würden dies ermöglichen, denn er kannte jeden militärischen Befehlshaber in Britisch-Ostafrika und konnte Albie als guten Reiter und guten Schützen mit viel Jagderfahrung aus Ostafrika empfehlen. Nur wenige Offiziere in Wiltshire konnten sich solcher, allerdings übertriebener Erfahrungen rühmen.
    Und die Gefahr, getötet zu werden?
    Nicht größer als beim Autofahren in Salisbury. Der Krieg in Afrika war praktisch vorbei, die meisten Soldaten in Ostafrika waren bereits an verschiedene Frontabschnitte in Europa verschifft worden. Im Übrigen war die Gefahr, zusammen mit Sverre gelyncht zu werden, zehnmal so groß, wenn Albie diesen Alibieinsatz nicht durchführte. Die größte Gefahr war, dass er nicht rechtzeitig in Mombasa einträfe, der Krieg bereits vorüber wäre und er so keinen Orden erhalten würde.
    *
    Das Porträt des stellvertretenden Hauptmanns Henry Carrington nahm langsam Gestalt an. Die Wahl des Stiles war kein Problem gewesen, es handelte sich um ein klassisches, realistisches, fast fotografisches Porträt mittels kurzer, pedantischer Pinselstriche. Es gab nur ein Problem, nämlich den Gesichtsausdruck.
    Ein Mann im Rollstuhl, sehr britisch mit kräftigem Schnurrbart, rötlicher Gesichtshaut und blondem Haar. Blut war durch den Verband seines Beinstumpfs gesickert. Das Krankenhausmobiliar stellte einen eindrücklichen Kontrast zu den vergoldeten Salonmöbeln und der geprägten Ledertapete im Hintergrund dar. Das Military Cross auf der Uniformjacke zeigte, dass es sich um einen Kriegshelden handelte.
    Oder um einen verbitterten Überlebenden, der vorwurfsvoll die Nachwelt betrachtete?
    Oder um einen Mann, der so Schreckliches erlebt hatte, dass er, vom Verlust seines Beines ganz abgesehen, nie wieder der Alte sein würde?
    Die Wahl fiel Sverre nicht leicht, und die Arbeit war noch nicht so weit gediehen, dass er es für sinnvoll hielt, Carringtons Meinung einzuholen.
    Stattdessen unterhielten sie sich in ironischen Kürzeln. Jedes seiner Worte

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