Die Brueder
Charleston Farmhouse zu inspizieren, da man diese vermutlich nicht als kriegswichtig einstufen würde.
Wie auch immer: Duncan und Bunny waren unbekümmerte Gesellen und besaßen die unbegreifliche Gabe, über den Krieg zu scherzen, statt sich um sich selbst oder andere Sorgen zu machen. Albie und Sverre wurden sich ihrer Abreise vor allem abends schmerzlich gewahr.
Nach Ende des Arbeitstages versuchten sie sich meist mit Wein und dem Grammofon abzulenken, da ihre Unterhaltung sonst dahin tendierte, jeden Abend in denselben Bahnen zu verlaufen.
Vor nicht allzu langer Zeit hatte sich Albie über die allzu große Anzahl seiner Landarbeiter den Kopf zerbrechen müssen, die den Gewinn des Gutes beträchtlich schmälerten, jetzt war über die Hälfte von ihnen verschwunden, und der Gewinn war qualvoll angestiegen, insbesondere da die Lieferungen ans Militär mehr einbrachten als der freie Markt. Die unerfreuliche Wahrheit war, dass Albie durch den Krieg viel Geld verdiente, denn die Haferlieferungen hatten zu- und die Personalkosten abgenommen.
Der am meisten gefürchtete Mann der Gegend war inzwischen der Briefträger. Wenn er sich auf der kopfsteingepflasterten Straße, die zwischen den Arbeiterhäusern von Manningham verlief, näherte, brach Panik aus, und die Tränen flossen, sobald er stehen blieb. Keine Frau, Mutter oder Schwester wollte seine Briefe entgegennehmen, und alle fürchteten sich davor, dass er vor ihrer Haustüre hielt.
Aber jetzt kam er nicht mehr. Es gab keine weiteren Todesnachrichten zu überbringen, alle Männer Manninghams, die gemeinsam singend zu den Rekrutierungsbüros gezogen waren, waren tot oder wurden vermisst, was auf dasselbe hinauslief, mit dem Unterschied, dass es kein Grab gab, das die Hinterbliebenen besuchen konnten.
Albie zog das Grammofon auf und spielte zum dritten Mal Mozarts Klarinettenkonzert. Die Wahl der abendlichen Musik, die der Schönheit und Lebensfreude huldigte, als könne die Kunst Widerstand leisten, kam einem Akt der Verzweiflung gleich.
Schweigend lauschten sie dem schmerzhaft schönen zweiten Satz. Nachdem er verklungen war und die Nadel in der innersten Rille kratzte, erhob sich Albie, stellte das Grammofon ab und schob die Platte sorgfältig in ihr Fach im Regal zurück. Dann schenkte er Wein nach, räusperte sich und nahm wieder auf seinem knarrenden Ledersessel Platz. Das hieß, dass er etwas Wichtiges zu sagen hatte, es gab eine Neuigkeit.
Das Thema, das er nun ansprach, war jedoch erst einmal alles andere als neu. Der Hass, den der Krieg auf Männer wie sie geschürt hatte, führte dazu, dass die Liebe zwischen Männern mit Erbärmlichkeit und Feigheit und somit auch mit Landesverrat gleichgesetzt wurde. Wie der Krieg auch immer ausgehen mochte, ob die Deutschen siegten oder ob es zu einem Waffenstillstand kam, spielte keine Rolle, der Hass würde vermutlich nur noch zunehmen, da mehrere Millionen Menschen im Krieg Väter, Söhne, Brüder oder Cousins verloren hatten. Die Verzweiflung der Hinterbliebenen würde sich gegen die Männer richten, die sich unter fadenscheinigen Vorwänden dem Militärdienst entzogen hatten. Natürlich würde sich der Hass gegen die Anhänger des Friedens und die Wehrdienstverweigerer richten, aber am allermeisten gegen die Feigen. Inzwischen lynchte der Mob ungestraft Leute mit deutsch klingenden Namen, nach dem Krieg wären die sogenannten Feiglinge an der Reihe.
Wie Bertrand es vorhergesehen hatte, schützte die lächerliche Offiziersuniform sie beide für die Dauer des Krieges. Sowohl Albie als auch Sverre konnten Albies symbolische Hauptmannstätigkeit als ihre Lebensversicherung betrachten.
Aber nach dem Krieg erwartete sie ein Albtraum, der zehnmal schlimmer sein würde als die Woge aus Hass, die zwanzig Jahre zuvor beim Prozess gegen Oscar Wilde über London zusammengeschlagen war.
So weit Albies einleitende Worte. Sverre, der sich mit Albies Gesprächstaktiken genauso gut auskannte wie mit verschiedenen Kunstrichtungen, wusste, dass ein schwerer Beschluss bevorstand.
»Nun, mein lieber Albie, was können wir dagegen unternehmen?«, fragte Sverre vorsichtig, um ihm weiterzuhelfen, zur Sache zu kommen.
»Ich habe gerade einen langen Brief von Delamere aus Nairobi erhalten«, sagte Albie, statt die Frage zu beantworten. »D erwähnt die Möglichkeit«, fuhr er betreten fort und blickte zu Boden, »dass ich mich den King’s African Rifles in Kenia anschließen könnte. Dort ist der Krieg praktisch schon
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