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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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verschwand, ohne eine Antwort abzuwarten.
    Sverre ließ sich erneut auf den modernen Ledersessel sinken. Das Zimmer war außerordentlich geschmackvoll gestaltet. Die Fenster reichten bis zur Decke, und das grün glänzende Leder der Polster harmonierte perfekt mit den schweren rubinroten Verhängen und dem afghanischen Teppich im selben Rot mit einem schwarzen Muster. Vor den riesigen Fenstern stand eine Palme, an den Wänden hingen Bilder griechischer Sportler aus der Antike, die bekannte Abbildung des Diskuswerfers in der Mitte. Albie hatte einen guten Geschmack und Sinn für einfache, klare Linien. Keine Exzesse oder gewagte Farbkombinationen. Einzig die roten Laken, die unter dem Überwurf hervorschauten, hätten sich möglicherweise im Scherz als dekadent bezeichnen lassen können, waren sie doch farblich ganz auf den Teppich abgestimmt, dessen schwarzes Muster hinwiederum mit dem schwarzen, eisernen Bettgestell harmonierte.
    Sverre hörte, dass das Wasser abgedreht wurde und ­Albie vor Wohlbehagen stöhnte, als er sich ins Badewasser gleiten ließ. Plötzlich kam Sverre ein Bad noch verlockender vor. Er riss sich die Kleider vom Leib, ließ sie einfach auf den Boden fallen und trat nackt ins Badezimmer. Albie lag lang ausgestreckt im Bassin, eine Darbietung männ­licher Schönheit, die sicherlich beabsichtigt war. Sverre stieg in das funkelnde Blau und umarmte ihn, und schlagartig verflüchtigte sich das Gefühl der Starre und Unsicherheit, und ihre Leidenschaft entbrannte schnell und selbstverständlich, als hielte man ein Streichholz an einen ordentlich im Kamin aufgeschichteten Brennholzstapel. Nichts war mehr schwierig oder fremd.
    Anschließend lagen sie lange in stiller, inniger Umarmung da und schaukelten leicht im Wasser, bis es kühler wurde und Albie zu frösteln begann. Sie stiegen aus dem Wasser und holten sich jeder ein Badetuch.
    »Was das Dinner betrifft«, sagte Albie mit neuer Energie, während er sich kräftig frottierte, damit ihm wieder warm wurde, »so erwarten wir einige Gäste, überwiegend Nachbarn und Cousins. Der wichtigste ist Lord Somerset, der Mann meiner ältesten Schwester Alberta, die du bei dieser Gelegenheit auch gleich kennenlernst. Wir sind vermutlich um die zwanzig Personen. Es ist das Willkommensmahl für mich, anschließend wird es dann ruhiger.«
    »Und wie passt der norwegische Bauer in diesen illustren Kreis der Adligen?«, fragte Sverre mit wiederkehrender Besorgnis.
    »Ganz einfach. Lord Somerset wird neben meiner Mutter platziert, einer der Nachbarn, vermutlich der älteste, führt meine Großmutter zu Tisch, das bleibt dir also erspart. Als mein Gast wirst du zwischen meinen beiden unverheirateten Schwestern platziert, die beide nur zu gerne Deutsch sprechen. Du hast also keinen Grund zur Beun­ruhigung.«
    Albie warf das Badetuch beiseite, lächelte unwiderstehlich, vielleicht aber auch nur selbstironisch, und drückte Sverre an sich.
    Behutsam schob Sverre ihn von sich, nahm Albies Kopf in beide Hände, sah ihm in die Augen, als suche er nach etwas Verborgenem, und sprach dann aus, was ihn verunsicherte.
    »Und worüber soll ich mit deinen Schwestern sprechen? Oder besser, worüber darf ich nicht sprechen?«
    »Dein gesellschaftliches Gespür kann sich mit dem meiner Großmutter messen. All right! Wir rasieren uns jetzt, dann rauchen wir eine Zigarette oder zwei, bevor wir uns ankleiden, und währenddessen erläutere ich dir die für dich wissenswerten Dinge.«
    Sie hatten jeder eine Toilette mit separatem Eingang vom Schlafzimmer aus am Ende des großen Bads, mit Wasserklosett, Waschbecken, elektrischer Beleuchtung und einem Wandspiegel. Sie rasierten sich sorgfältig, jeder am eigenen Waschbecken, ehe sie sich am Rauchtisch in Albies Schlafzimmer wieder vereinten, das genauso eingerichtet war wie Sverres, nur mit umgekehrter Farbgebung. Was bei Sverre grün war, war bei Albie rot und umgekehrt.
    Beide trugen Bademäntel, und Albie fror immer noch etwas. Die Zigaretten waren türkischen Ursprungs und besaßen goldene Mundstücke.
    »Es ist ganz einfach«, erklärte Albie nach dem ersten genüsslichen Zug. Sverre kannte niemanden, bei dem das Rauchen so verlockend aussah. »Meine beiden jüngeren Schwestern würden dich lieben, wenn du eine Frau wärst.«
    Er legte eine Kunstpause ein, sicherlich mit Absicht, um Sverre zu verwirren, dem es ganz richtig schwerfiel, den Inhalt des Satzes zu verstehen.
    »Du kannst nicht folgen?«, spottete Albie.
    »Nein, kann ich

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