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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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nicht. Sind sie auch …?«
    »Bewahre! Lesbische Frauen gibt es nur in größeren Städten und in intellektuellen Kreisen, aber nicht in der eher fossilen Oberschicht auf dem Land. Hier liest man, wenn ich so sagen darf, kaum Sappho. Du musst noch einiges über England lernen, aber das hier ist erst dein zweiter Tag, zerbrich dir also nicht so sehr den Kopf. Fol­gendermaßen verhält es sich: Wärst du meine Geliebte, meine Verlobte oder zukünftige Frau und einigermaßen üppig, fähig, einen oder vorzugsweise zwei oder drei Söhne zu gebären, dann würden sie dich lieben. Jetzt bist du aber erfreulicherweise ein Mann.«
    »Erfreulicherweise? Nicht für Pennie und Margie, wie mir scheint?«
    »Nein. Da hast du vollkommen recht, fürchte ich. Denn wenn ich einen Sohn bekomme, was ich unglücklicherweise früher oder später bewerkstelligen muss, dann können Pennie und Margie bis an das Ende ihrer Tage hier wohnen, falls es uns nicht gelingt, sie zu verheiraten. Selbst wenn ich das Zeitliche segne. Dasselbe gilt auch für Mutter und Großmutter.«
    »Und andernfalls?«
    »Andernfalls erhält irgendein Cousin, ich weiß nicht einmal genau, welcher, den Titel und damit auch den Landsitz und die übrigen Besitztümer und schickt alle Verwandten des vorigen Earls in die Wüste.«
    »Earl? Und das bist du?«
    »Genau, der 13. Earl of … Aber ich habe nie darum gebeten, und das spielt für uns auch keine Rolle. Zurück zur Frage!«
    »Welcher Frage?«
    »Wenn dich meine jüngeren Schwestern ganz nebenbei fragen, ob du verlobt bist oder Heiratspläne hast, wollen sie nur in Erfahrung bringen, ob dir Männer lieber sind, denn diesen Verdacht hegen sie natürlich. Du verneinst, weil alles andere nur allzu viele Lügen nach sich ziehen würde. Aber mit dem Zusatz, und das ist wichtig, dass deine geliebte Hannelore oder Brigitte aus Deutschland oder wie immer du sie nennen willst, die große Liebe deines Lebens, von ihrem überaus konservativen Vater gezwungen wurde, dir einen Korb zu geben, weil du von so geringer Abstammung bist. Kannst du folgen?«
    »Allerdings.«
    »Gut. Von diesem Liebeskummer hast du dich noch nicht wieder erholt und träumst noch immer von deiner geliebten Hannelore oder Brigitte und so weiter. Wenn sie dich nach Details fragen, vergiss nicht, dass sie erstaunlich viel über Deutschland wissen. Schaffst du das?«
    »Mich zu verstellen? Das weißt du doch. Leute wie wir müssen sich meist verstellen. Auf der Osterøya immer. Hier in … wie heißt dieses Anwesen eigentlich?«
    »Manningham House.«
    »Hier in Manningham House sicher nur gelegentlich. Habe ich dich richtig verstanden?«
    »Ja! Für deinen zweiten Tag in England hast du schon eine Menge verstanden. Aber vergiss nie, dass du mir mehr bedeutest als alles andere und dass wir gemeinsam mit ­allem fertigwerden. Auch hier in dieser anderen Welt.«

II – Die Liebe, die ihren Namen nicht zu nennen wagt
    Manningham House, September 1901
    Den ganzen Sommer über waren sie fleißig wie die Bienen und rackerten sich ab wie Galeerensklaven. Albies Beschreibung wechselte je nach Laune. Sverre hatte fast ein schlechtes Gewissen, weil ihre Arbeit so leicht von der Hand ging und oft in reines Vergnügen überging. Beispielsweise als ihm Albie das Reiten beibrachte. Oder als sie sich in das Pub in Andover (Albie war Viscount of Andover, ein Titel, den sein erster Sohn bei seiner Geburt übernehmen würde) fahren ließen, um Unmengen Bier zu trinken. Sie sangen, genauer gesagt grölten, auf dem gesamten Heimweg. Nein, nicht auf dem ganzen Weg, denn sie schliefen ein, bevor sie ihr Ziel erreichten. Oder als Albie Sverre dazu überredete, sein Porträt zu malen oder als sie wie früher einfach nur im Herrenzimmer saßen, Whisky tranken, Musik hörten und bis zum Sonnenaufgang ihre Gedanken schweifen ließen.
    Trotzdem hatten sie einiges zustande gebracht. Sie hatten ihr Projekt mit der frischen Röte der Entschließung, die noch nicht von des Gedankens Blässe angekränkelt war , in ­Angriff genommen. Ausgangspunkt waren die Ideen, die sie während der Fahrt ausgeheckt hatten. Die Kohle als Antriebsmittel von Zügen musste durch etwas anderes ersetzt werden. Die Einbahnräder mussten flexibler werden, damit die Reise angenehmer und sicherer vonstattenging.
    Auf Gut Manningham gab es wahrhaftig genug Mate­rial zum Experimentieren. Albies Vater war von dem Gedanken besessen gewesen, die Technik zur Rationalisierung der Landwirtschaft voranzutreiben, und

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