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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Antriebsräder aus Southampton eintrafen. Sverre hatte sich während dieser Zeit vor allem der Malerei gewidmet, nicht nur dem Spiel des Lichts zwischen den großen Eichen, sondern auch Albies Porträt, das nie zu seiner Zufriedenheit ausfiel, obwohl Albie es überschwänglich lobte.
    Die markant umgestaltete Pflugmaschine erwies sich als doppelt so erfolgreich wie die Originalversion aus Illinois, was bedeutete, dass sie erst nach zwanzig Metern stecken blieb und nicht schon nach zehn. Die Zugkraft war defi­nitiv unzureichend. Wenn es gelang, diese zu verstärken, vorzugsweise zu verdoppeln, hatte man aller Voraussicht nach die funktionstüchtige Pflugmaschine, die sechzehn Männer und acht Pferde ersetzen konnte.
    Darüber hinaus konnte man auf die ursprüngliche Dampfmaschine verzichten, die höchstens durch ihr Gewicht zum Pflügen beitrug. Die Pflugmaschine durfte allerdings auch nicht zu leicht sein, weil man dann selbst mit verdoppelter Zugkraft überhaupt nichts gewann. Das war jedoch ein rein mathematisches Problem und hatte Zeit, bis die Frage gelöst war, mit welchem Motor sie die Pflugmaschine antreiben konnten.
    Als ihre Überlegungen Anfang September so weit gediehen waren, überraschte Albie Sverre eines Abends mit der Mitteilung, er müsse eine Geschäftsreise nach Augsburg unternehmen, wo Rudolf Diesel höchstpersönlich eine Maschinenfabrik betreibe. In erster Linie ging es darum, einen funktionierenden Motor für die Pflugmaschine zu besorgen. Albie erklärte, er sei nach eingehenden Stu­dien zu dem Schluss gelangt, dass Rudolf Diesel in der Lage sei, diesen Motor zu liefern. Bei dieser Gelegenheit wollte er natürlich auch noch die Möglichkeit diskutieren, nach Diesels Grundlagen einen noch größeren Motor herzustellen, mit dem man die Eisenbahnzüge der Zukunft antreiben könnte. Maschinen fielen ja unter Albies und nicht Sverres Verantwortung.
    Albies Erklärungen klangen durchaus einleuchtend, trotzdem beschlich Sverre ein Gefühl der Enttäuschung, wenn nicht gar der Eifersucht, natürlich nicht auf Rudolf Diesel, da ihnen eine Trennung bevorstand, die schlimmstenfalls Wochen dauern würde. So hatte er sich das neue Leben in der anderen Welt nicht vorgestellt.
    Aber solch irrationale Einwände konnte er kaum vorbringen. Ihr gemeinsames Leben war nicht nur privater Natur. Sie wollten zusammen auch Bedeutsames vollbringen. So jedenfalls hatten sie es vereinbart, als Albie während ihres letzten Semesters in Dresden die bahnbrechende Idee eines gemeinsamen Lebens nicht nur in Schönheit und künstlerischem Genuss, sondern auch in wissenschaftlicher Arbeit formulierte.
    Auf jenen Tag war eine der langen Nächte gefolgt, in denen Sverre singend durch stille Dresdner Straßen nach Hause ging.
    Aber hier und jetzt, in der neuen Wirklichkeit, an die er sich merkwürdigerweise schnell gewöhnt hatte nach seinem Umzug aus einem normalen Leben in ein Schlaraffenland, in dem alles anders war, wurde ihr soziales Experiment zum ersten Mal ernsthaft auf die Probe gestellt. Natürlich musste Albie diese Reise machen und Rudolf Diesel aufsuchen, denn dieser Besuch konnte für die Zukunft, und nicht nur für ihre, von großer Bedeutung sein.
    Am Tag seiner Abreise wartete Albie mit einer weiteren Überraschung auf. Der Kutsche war vorgefahren, und der Kutscher wartete geduldig. Sie hatten beschlossen, zu Hause voneinander Abschied zu nehmen, Bahnhofsabschiede waren so banal.
    Sie umarmten sich zärtlich in der Diele, wo sie niemand sah, bevor sie sich auf dem Vorplatz die Hand gaben, sich auf männlich-respektable Weise umarmten und lautstark auf den Rücken klopften.
    Albie stellte einen Fuß auf den Wagentritt, zögerte etwas und sprach dann aus, was er sich vermutlich vorher zurechtgelegt hatte.
    »Du weißt über mein Leben, bevor ich nach Dresden kam, immer noch so gut wie nichts, mein lieber Sverri. Ich habe etwa fünfzig beschriebene Blätter auf dem türkischen Tischchen in der Bibliothek im Obergeschoss hinterlegt, auf denen alles steht, möglicherweise stellenweise etwas schwülstig formuliert, weil ich es in der Phase geschrieben habe, als ich Schriftsteller werden wollte. Ich praktizierte etwas, was man damals neuen Journalismus nannte. Wenn ich nach Hause zurückkomme, kennen wir uns endlich bis in den tiefsten Seelenwinkel. Im Guten wie im Schlechten, hauptsächlich im Guten, hoffe ich.«
    Seine vorbereitete Rede war zu Ende, er sprang in die Kutsche und gab den Befehl zum Abfahren. Sverre

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