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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Wikingerprodukte gedrängt hatte. Allerdings war er damals dafür bezahlt worden, dass er seine Studien stiefmütterlich behandelte. Jetzt würde er wieder von seiner Arbeit abgehalten werden, aber ohne Entgelt, das verstand sich wahrscheinlich von selbst. Margrete und Penelope kamen aus einer reichen Familie, Geld war für sie eine Selbstverständlichkeit, die man aber nie selbst in die Hand nahm.
    Wie auch immer, er war gefangen und hatte keine andere Wahl, als die Zähne zusammenzubeißen und sich eine Weile auf die Porträtmalerei zu konzentrieren. Die eigentliche Arbeit, seine Experimente mit verschiedenen Radkonstruktionen, musste warten, bis Albie wieder da war und sie gemeinsam daran weiterarbeiten konnten.
    Abends, wenn das spärliche Licht keine Malerei mehr zuließ, konnte er sich außerdem Albies langer Erzählung zuwenden, die immer noch unberührt auf dem türkischen Tischchen im Herrenzimmer lag.
    Bisher hatte er es nicht gewagt, sich das Manuskript vorzunehmen. Auch in dieser Hinsicht musste er sich zusammennehmen, damit das erledigt war, wenn Albie nach Hause kam.
    Es war nicht ganz klar, weshalb er sich so vor Albies Text fürchtete. Vielleicht war es ja Albies Andeutung von den guten und schlechten Dingen. Sverre wollte nichts Schlechtes über Albie wissen. Vielleicht befürchtete er aber auch nur, dass es sich um einen peinlichen, kitschig-überspannten Text mit allzu juvenilen Betrachtungen über das Wesen der Liebe oder die Bedeutung der Kunst handeln könnte.
    Die erste Lektüre der in Schönschrift abgefassten Betrachtungen Albies stellte daher eine vollkommene Überraschung dar. Sie begann als dramatischer Bericht über ein Verbrechen, so grell sensationell und packend wie die Groschenhefte, die für 50 Pfennig das Bändchen unter der Hand und diskret vor dem Dresdner Hauptbahnhof zu erstehen waren.
    In dem Melodram – denn um ein solches handelte es sich – spielte ein gediegener Schurke die Hauptrolle, der von Rachegelüsten und brennendem Hass erfüllte Marquis von Queensberry. Es wurde ordentlich dick aufgetragen.
    Ein unvoreingenommener Leser konnte die bösen Absichten des Marquis durchaus nachvollziehen. Dessen ältester Sohn, Lord Francis Archibald Douglas, der Viscount of Drumlaurig, hatte sich gezwungen gesehen, Selbstmord zu begehen, um seine Ehre zu retten und seiner Familie einen Skandal zu ersparen. Der Selbstmord war notdürftig als Jagdunfall kaschiert worden, was aber niemanden überzeugte, weil, wie der Autor anmerkte, man der englischen Aristokratie einiges nachsagen könne, aber wohl kaum, dass sie nicht mit Jagdwaffen umgehen konnte.
    Das Motiv für den Selbstmord, der drohende Skandal, war die Beziehung des jungen Lords zum Premierminister Lord Rosebery, also ein Verhältnis, das nach dem Gesetz »über besonders unanständige Handlungen« eine Straftat darstellte. Und obwohl es wenig wahrscheinlich war, dass so herausragende Gentlemen vor Gericht geschleift und wie Botenjungen oder Seeleute verurteilt wurden, hätte ein Skandal katastrophale Folgen für die liberale Regierung haben können.
    Der rasende Marquis von Queensberry verfügte also, vermutlich in Form von Liebesbriefen, über Beweise, die die Regierung stürzen konnten, und besaß auch gute Gründe, diese Macht auszunutzen.
    Sein jüngster Sohn, Lord Alfred Douglas, genannt Bosie, unterhielt nämlich seit etlichen Jahren eine offene, aber skandalöse Beziehung zu Oscar Wilde. Keiner der beiden machte ein Geheimnis aus seinen hellenistischen Idealen, im Gegenteil, und keiner der beiden fühlte sich vom Arm des Gesetzes oder vom rasenden Vater Queensberry bedroht. Oscar Wilde hielt sich hinter seinem Schild aus Kunst und Popularität für unverwundbar, und Lord Alfred Douglas glaubte, sein Titel sei Schutz genug.
    Anfänglich wirkte der Ein-Mann-Kreuzzug Queensberrys, seinen zweiten Sohn vor einem Schicksal zu bewahren, das schlimmer war als der Tod, nur lächerlich. Sobald er Bosie und Oscar Wilde in einem der besseren Lokale Londons begegnete, überhäufte er sie mit Unflätigkeiten, die ihn vulgär erscheinen ließen, dem berühmten Autor aber nichts anhaben konnten.
    Wenn es um Schlagfertigkeit ging und darum, die Lacher auf seine Seite zu ziehen, gab es in ganz London keinen anspruchsvolleren Gegner als Oscar Wilde. Queensberry wurde immer wieder ausgelacht, nicht zuletzt bei der Premiere des erfolgreichen Theaterstücks »Bunbury oder ernst sein ist alles«, als er versuchte, sich mit einem Korb

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