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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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an der Kieler Woche, der wichtigsten europäischen Regatta, teil und würde dort unter anderem gegen die Kaiserfamilie in der Klasse der größten Segeljachten antreten. Er hatte zusammen mit Freunden aus den Bergenser Schiffbauer- und Reeder­kreisen ein Boot nach ganz neuen Prinzipien gebaut, das ihm zweifellos den Sieg einbringen würde. Es hatte eine schwindelerregende Summe gekostet, sicher mehr als eine Million Kronen, Geld, das aus Afrika kam.
    Nicht genug damit. Bruder Oscar hatte auch den Kauf der angesehensten und größten Ingenieurbaufirma Bergens finanziert, die inzwischen Lauritzen & Hagen hieß und deren Büro in der Kaigate in Bergen lag.
    »Wer weiß? Diese Bergenser Firma kann vielleicht sogar einen beschäftigungslosen Dandy, der zufälligerweise auch über ein Diplomingenieurexamen aus Dresden verfügt, einstellen«, meinte Lady Alice abschließend und hob erneut ihr Rotweinglas.
    »Wohl kaum«, erwiderte Sverre reserviert. »Dafür hat mein ältester Bruder zu starke moralische Vorbehalte, unter anderem vertritt er vollen christlichen Ernstes die Ansicht, dass Leute wie Lord Albert und ich in der Hölle schmoren sollten. Sie können sich also denken, welchen Preis er für eine solche brüderliche Teilhaberschaft fordern würde. Und ich versichere Ihnen, dass mich nur der Tod von meinem Geliebten trennen kann. Dann schmore ich gerne im Höllenfeuer.«
    »Da sind die Brüder sich sehr ähnlich«, antwortete Lady Alice rasch.
    »Wohl kaum. Aber ich würde gerne auf die Verlobung meines Bruders anstoßen. Könnten Sie uns eine Flasche Champagner bringen?«
    *
    Die Vorbereitungen ihrer Abreise aus Finse nahmen drei Tage in Anspruch, da ihr Gepäck, drei Koffer und sieben Reisetaschen, an der Eisenbahnroute entlang transportiert werden musste. Erst mit dem Pferdefuhrwerk über die Baustraße nach Hallingskeid, von dort, weil ab hier Schienen lagen, mit der Postdraisine nach Voss und dann weiter nach Bergen, möglichst ins richtige Hotel. Sie hatten für die kurze Zeit in Norwegen viel zu viele Kleider mit­genommen, weder Margie noch Albie hatten Sverres Rat befolgt.
    Ein Gentleman nehme lieber zu viel als zu wenig Kleidung mit, hatte Albie großspurig eingewandt, und Margie hatte in spöttisch nachgeahmtem Tonfall hinzugefügt, für eine Lady gelte das erst recht.
    In den letzten Tagen vor ihrer Weiterreise arbeitete Sverre intensiv an einem Gemälde, das wiedergeben sollte, wie der Mensch die Natur in sich aufnahm und wie die aufgehende Sonne ihn mit Kraft erfüllte.
    An der Idee war nichts auszusetzen, darin waren sich die drei Freunde einig. Praktische Dinge erschwerten die Arbeit jedoch.
    Albie sollte nackt mit ausgebreiteten Armen, als wolle er die aufgehende Sonne umarmen, vor einem Abgrund stehen. Obwohl laut Kalender Hochsommer war, waren die Sonnenaufgänge in Finse alles andere als angenehm warm. Albie musste sich ab und zu mit einer Decke wärmen und sich von Margie und Sverre den Rücken massieren lassen. Die Wärmepausen fielen aber immer viel zu kurz aus, da Sverre zur Eile antrieb, um das perfekte Licht, das nicht lange anhielt, zu nutzen.
    Sverre konnte das Gemälde nicht vor Ort fertigstellen, erklärte aber, dass er gewisse Lichtphänomene auf der Leinwand fixieren müsse, um sich später exakt an sie erinnern zu können.
    Margie und Albie fanden das Bild monumental, aber nicht erotisch skandalös, es erinnerte an eine Art uralter Sonnenverehrung.
    Es erfüllte Albie mit Stolz, dass er sich als Modell für ein Ideengemälde eignete, das eine gewisse physische Haltung erforderte. Seit Sverre sich von Sandow hatte betören lassen, trainierte er mit wütender Energie. So war das immer, wenn er sich für etwas Neues begeisterte. Wenig später konnte er auch Albie für dieses Projekt gewinnen, der sogar extra zwei kleinere Trainingsräume für sie einrichten ließ, einen am Gordon Square in Bloomsbury und einen in Manningham.
    In dieser Hinsicht waren sie allerdings alles andere als ungewöhnlich, selbst einige der normalerweise überaus trägen Freunde in Bloomsbury hatten sich der neuen Körpermode verschrieben und sprachen von der gesunden Seele in dem gesunden Körper. Vor allen Dingen ging es ihnen dabei darum, den Vorwurf, dass die modernen Errungenschaften und Bequemlichkeit den Menschen degenerieren, zu entkräften. Jetzt, nach ein paar Jahren harten Trainings, das ihnen so zur Gewohnheit geworden war, dass sie nur ungern darauf verzichteten, sahen Albie und Sverre aus wie die

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