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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Abwechselnd hielt er Margie die Stirn, wenn sie sich in die Toilette übergab, und führte sie zurück zu ihrer Koje, bevor er sich auf gleiche Weise um Albie kümmerte. Kaum hatte er diesen wieder in der Koje verstaut, erhob sich Margie auch schon wieder schwankend aus der ihren, kippte um und übergab sich auf den Fußboden. Nachdem Sverre sie versorgt und den Boden gewischt hatte, war Albie wieder an der Reihe. Sverre litt mit seinen Freunden und tröstete sich damit, dass dies Stoff für eine lustige Anekdote lieferte, wenn sie den Atlantik erst einmal verlassen und ruhigere Gewässer erreicht hatten.
    Nachdem die beiden den gesamten Mageninhalt von sich gegeben hatten, wollten sie »nur noch sterben«. Damit war das Schlimmste überstanden. Sverre zurrte beide in ihren Kojen fest, damit sie im Schlaf nicht herausfielen, begab sich ein Deck tiefer auf das Restaurantdeck und ging einen schwankenden Korridor entlang zum Speisesaal. Er war hungrig wie ein Wolf.
    Enttäuscht stellte er fest, dass im Speisesaal kein Licht brannte. Die Tische waren nicht gedeckt, und die Stühle waren festgezurrt. Er suchte die Küchenregionen auf und stieß dort auf erstaunte und etwas verlegene Köche, die gerade das Essen für die Besatzung kochten. Sie erklärten ihm, sie hätten keinen der Passagiere zum Dinner erwartet, aber er würde sein Essen schon bekommen.
    Sie schickten ihn in die Offiziersmesse, in der sein Erscheinen Erstaunen und Munterkeit hervorrief.
    »Ich bin Norweger und geborener Seemann«, be­antwortete Sverre die unausgesprochene Frage, die den Offizieren ins Gesicht geschrieben stand. Während sie auf das Essen warteten, schenkten sie ihm erst einmal einen Whisky aus.
    Sechsunddreißig Stunden später befanden sie sich im Mittelmeer. Die leichte Brise unter einem strahlend blauen Himmel erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Die meisten Passagiere schienen sich erholt zu haben, aber Albie war immer noch fahlgrün im Gesicht und trank nur Wasser.
    Auf dem Achterdeck befanden sich nur wenige Passagiere, ein paar kleine Grüppchen, Albie, Margie und Sverre saßen für sich, von der übrigen Familie zeigte sich niemand. Offenbar lagen sie immer noch in ihren Kabinen. Sverres Empfehlung, Bier zu trinken, um den Flüssigkeitsverlust nahrhaft auszugleichen, fand keinen Anklang. Auch Margie hielt sich an Sodawasser und füllte ab und zu ihr Glas vorsichtig aus dem Siphon auf dem Tisch nach. Sverre hatte ein großes Glas Irish Stout bestellt.
    »Ist noch mit weiteren Stürmen auf der Reise zu rechnen?«, wollte Albie wissen.
    »Das ist unsicher«, antwortete Sverre. »Aber beim Abendessen haben sowohl der Kapitän als auch der Erste Offizier beteuert, dass es um diese Jahreszeit auf dem Mittelmeer, dem Roten Meer und dem Indischen Ozean meist ruhig ist.«
    »Ist gestern außer dir sonst noch jemand zum Abendessen erschienen?«, stöhnte Margie und verdrehte die Augen.
    »Nein, keiner der Passagiere. Aber ich bin ja auch der einzige Norweger an Bord.«
    Keiner der anderen konnte über seinen überheblichen Scherz lachen.
    »Und? Wie ist es, frisch verlobt zu sein?«, fragte Albie nach einer Weile des Schweigens.
    »Danke, es ist eine ganz neue Erfahrung und auch etwas unerwartet«, antwortete Margie. »Ich kann mir denken, dass sich einige Freunde kaputtlachen.«
    »Apropos Freunde«, fuhr Albie fort. »Hast du einen neuen, aufregenden Liebhaber?«
    »Nein. Ich halte mich meist an Clive, er muss bis auf Weiteres genügen.«
    »Clive Bell?«, fragte Albie. »Aber der ist doch mit Vanessa verheiratet?«
    »Schon, aber wir sind schließlich beste Freundinnen und teilen alles. Außerdem tue ich Vanessa einen Gefallen, wenn ich sie etwas entlaste. Schließlich ist sie im achten Monat.«
    »Und der Verlobte hat keine Einwände?«
    »Natürlich nicht!«, versicherte Sverre. »Mit wem meine Verlobte schläft, das ist ihre Sache, darüber würde ich mir nie eine Ansicht anmaßen.«
    Endlich konnten sie lächeln. Albie strahlte förmlich.
    »Und das alles nur wegen der lieben Großmutter«, fuhr Albie fort. »Und jetzt ist sie nicht einmal dabei, nachdem sie uns zu dieser kleinbürgerlichen Erniedrigung gezwungen hat!«
    Jetzt lachten sie endlich, wenn auch noch etwas geschwächt, herzhaft.
    An der Verlobung von Sverre und Margie war Lady Sophy schuld. Während der Reisevorbereitungen, die sich über mehrere Monate hingezogen hatten, hatten sie sich vor allem um die Ausstattung für Afrika konzentriert. In London gab es viele

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