Die Brueder
Geschäfte, die darauf spezialisiert waren, und nun waren die Koffer mit Tropenhelmen, Moskitonetzen, Khakikleidung für die Jagd, Fahllederstiefeln nach der letzten Mode in Weinrot statt aus hellem Leder, besonders luftigen Organdykleidern und robusten Damenschuhen mit niedrigen Absätzen, angeblich wegen des Sandes, gefüllt.
Fast ebenso viel Energie hatte jedoch Lady Sophy auf die äußerst wichtige Frage verwendet, wie das Problem, das Sverres Teilnahme an der Reise hinsichtlich der Etikette darstellte, gelöst werden sollte. Wie ließ sich die Anwesenheit Mr. Lauritzens in dem engen Familienkreise erklären?, so lautete ihre ständig wiederkehrende Frage. Mit besonderer Betonung auf Mister.
Albie hatte es mit allen möglichen Argumenten versucht. »Mr.« Lauritzen sei schließlich nicht nur sein enger Freund, sondern auch Künstler, wie Großmutter sehr gut wisse. In den letzten Jahren hätten sich die Künstler Europas in die Welt begeben, um die Naturvölker zu studieren. In der modernen Kunstdiskussion seien diese ein recht zentrales Thema. Es habe also nichts Skandalöses, einen eigenen Künstler mit auf die Reise zu nehmen. Das sei fast wie ein Fotograf, nur etwas eleganter.
Auf dieses Argument ließ sich Lady Sophy nicht ein, sondern kam Albie stattdessen mit Logik. Sie sei die Großmutter der Braut und auch Lady Somersets und Margies.
Sie betonte das Lady Somerset auf eine Weise, die nur als Spitze gegen Margie verstanden werden konnte, die das Heiratsalter bald überschritten hatte. Nun ja, Margie war die Schwester der Braut. Und dann waren da noch die Braut und ihre Mutter, die auch die Mutter des noch unverheirateten Sohnes war. Lord Somerset hatte in die Familie eingeheiratet. Und dann war da selbstverständlich noch der Bräutigam. Das war die Reisegesellschaft, ein kleiner, intimer Familienkreis. Wie ließ sich da die Anwesenheit Mr. Lauritzens erklären? Das konnte wirklich missverstanden werden.
Besser gesagt, es konnte allzu leicht verstanden werden.
Da Albie unerbittlich schien, drohte sie schließlich damit, zu Hause zu bleiben, falls ihr Wunsch nicht respektiert würde. Am Ende sprach sie beinahe Klartext: Erwachsene Männer, die ihren Pennälergewohnheiten nicht entwachsen seien, hätten auf einer kirchlichen Hochzeit nichts verloren.
Mit anderen Worten: Sie duldete keine Homosexuellen bei einer anständigen Hochzeit.
Die Situation schien ausweglos, bis Albie den gordischen Knoten zerschlug. Innerhalb der Familie wurde die Verlobung Margies mit Mr. Lauritzen bekannt gegeben, der von nun an Sverre genannt wurde, was einer Beförderung gleichkam.
Auf Manningham fand sogar ein kleines Verlobungsdinner statt, Lady Sophy gab vor, an das Arrangement zu glauben, und alle waren zufrieden.
Trotz alledem stellte sie einige Zeit später fest, dass die Afrikareise für eine über Achtzigjährige zu strapaziös wäre. Sie beschloss also, auf Manningham zu bleiben und die Gesellschaft von Albertas und Lord Somersets kleinen, entzückenden Töchtern zu genießen. Denn auch Kindern unter zwölf Jahren war von einer Reise nach Afrika abzuraten. Schließlich war bekannt, dass die Sonneneinstrahlung am Äquator dem Gehirn weißer Menschen nicht zuträglich war, daher die Tropenhelme. Und für kleine weiße Kinder war die Gefahr natürlich noch größer.
Damit war die Sache entschieden. Margie und Sverre hatten sich also ganz umsonst verlobt. Dies war sicher kein Einzelfall in der Geschichte Englands, aber zumindest hatten sie einen originellen Grund für ihre unnötige Verlobung.
*
Afrikas sonnenbeschienene Küste näherte sich so sachte, als sollte man sich langsam an diesen Kontinent gewöhnen. Sie machten einen Tag Zwischenstopp in Tunis, damit die Passagiere wieder einmal festen Boden unter den Füßen spüren und Souvenirs erstehen konnten. Tunis war eine blendend weiße Stadt mit einem laut Sverre fantastischen Licht, halb Orient, halb französisch. Ein paar Tage später in Suez, wo sie ihre Trinkwassertanks auffüllten, war das Erlebnis halb Orient, halb englisch. Sverre zeichnete Karikaturen von den selbstbewussten Offizieren in kurzen Hosen mit Schnurrbart, und Albie und Margie bogen sich vor Lachen, rieten ihm aber mit Nachdruck davon ab, die Zeichnungen den anderen Familienmitgliedern zu zeigen, weil das zu Missverständnissen führen könne. Lord Somerset beispielsweise zeichnete sich nicht gerade durch Humor aus.
Albie, Margie und Sverre sahen sich in einer Maskerade gefangen, aus
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