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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Tonic mischte und eingoss.
    »Um Gottes willen, nein!« D lachte. »Das hier ist Massai-Land, und die Massai lassen sich nicht zähmen. Alle, die im Haushalt arbeiten, sind Kikuyu aus der Ebene. Versteh mich nicht falsch«, fuhr er fort, da ihm die hochgezogenen Augenbrauen beim Wort »zähmen« nicht entgangen waren. »Die Massai sind meine Freunde, ich spreche ihre Sprache, ich achte sie außerordentlich, sie sind das einzige Volk Afrikas mit Würde. Aber sie sind Viehzüchter und Krieger und nichts anderes. Sie würden sich niemals zu Küchendiensten oder zum Servieren dressieren lassen, sie halten sich für uns ebenbürtig.«
    »Aber sind sie das wirklich?«, rief Arthur und wirkte beinahe entrüstet.
    D schien über die Antwort nachzusinnen, während die beiden Kellner die ersten Drinks verteilten.
    »Doch, hier in Afrika sind wir ebenbürtig«, meinte er schließlich. »Nicht in einem Gentlemen’s Club in London, aber hier in Afrika. Die anderen afrikanischen Völker haben sich in heillosem Durcheinander miteinander vermischt und sind in jahrhundertelangem Dunkel versunken. Sie können sich nur langsam und mit unserer Hilfe aus ihrem Elend erheben. Die englische Rasse wird Afrika wieder auf die Beine helfen. Deswegen gehört Afrika uns. Aber auch den Massai.«
    Arthurs und Albies Fragen hagelten förmlich auf D nieder. Am meisten interessierte sie, was an den Massai so besonders sei und was an den unglaublich klingenden Gerüchten über sie dran sei.
    Sverre, der sich seit seiner Ankunft in Afrika wie das fünfte Rad am Wagen fühlte, erhob sich und ging auf die Terrasse hinaus. Eine Weile lang betrachtete er den gigantischen Sternenhimmel und dachte, dass er hier ohnehin nur ein Gast war und dass ihm Gedanken über die Oberhoheit der englischen Rasse in Afrika allzu fern lagen, als dass er zu der immer hitzigeren Diskussion etwas beizutragen gehabt hätte. Die norwegische Rasse machte jedenfalls keinen Hoheitsanspruch in Afrika geltend.
    Die Nacht war fast ganz still. Die Dämmerung war von einer Kakofonie von Geräuschen erfüllt gewesen, die, wie Sverre vermutete, vor allem von Vögeln verursacht wurden. Jetzt war nur noch vereinzeltes Pfeifen in der Ferne zu hören, meist recht schrill, das Sverre keiner Quelle zuordnen konnte. Eine Weile lang war nur das Klirren der Eiswürfel in seinem Drink zu hören. Fantastisch, dass es hier im Paradies so fern von der Welt Eiswürfel gab.
    Afrika war ungefähr dreimal so groß wie Europa, vielleicht sogar noch größer, das hing ganz davon ab, wie man Europa definierte. Das Einzige, was ihn, den Außenstehenden, in Afrika interessierte, war die neue Sklaverei, eine Frage, in die er sich als Mitmensch, ja sogar als Norweger, einmischen konnte.
    Im Haus ertönte Klaviermusik und eine Sopranstimme. Es klang nach Schubert, »Die Forelle«. Also sang entweder Pennie oder Margie. Die Freunde in Bloomsbury hätte die Vorstellung, dass Margie in kolonialer Kleidung mit Reitstiefeln neben einem Klavier in Kenia stand und Schubert sang, sicherlich über die Maßen belustigt. Sie war ein Chamäleon und konnte sich an jedes Umfeld anpassen. Sie konnte, wenn auch nur aus Höflichkeit wie im Augenblick, mühelos in die Rolle der Lady Margrete auf Besuch in Britisch-Ostafrika schlüpfen. Wenn sie wieder zu Hause war, würde sie sich umziehen, eine Zigarette anzünden, sich einen Whisky eingießen und detailliert die haarsträubendsten intimen Details über ihren neuesten Liebhaber und dessen angebliches Versagen erzählen und sich beim Höhepunkt der Geschichte, sei es jetzt eine verfrühte Ejakulation oder eine unpassende Schlaffheit in einem kritischen Augenblick, schreiend vor Lachen in die Kissen bei Vanessa und Virginia zurückwerfen und den Beifall genießen. Aber jetzt stand sie dort drüben, denn es handelte sich zweifellos um ihre Stimme, und sang, begleitet von Pennie am Klavier, »Die Forelle«.
    Draußen in der schwarzen Nacht, vielleicht weit weg, vielleicht auch nicht, hörte Sverre ein unbeschreibliches, seltsam dumpfes, mächtiges Geräusch. Klagend oder bedrohlich? Noch nie hatte er so etwas gehört, und er fühlte sich an Trollwesen aus den Märchen erinnert. Waren das Elefanten? Nein, Elefanten hatte er schon gehört, ein schrilles Trompeten im Diskant. Im Vergleich dazu hatte es eher wie der tiefe Ton einer Basstuba geklungen, ein Geräusch, das von einem sehr lauten Tier herrühren musste. Die Elenantilopenbullen sahen sehr groß aus, aber was hätten sie für

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