Die Brueder
gegen die Sklaverei und die belgische Vernichtung einer ganzen Nation aufs Spiel. Ein Prozess gegen ihn wäre ein ungeheurer Skandal, da er Beamter des Außenministeriums und in den Augen der Liberalen ein Held war. Die Konservativen würden sich diese Chance natürlich nicht entgehen lassen, und alle Berichte Casements über den Kongo wären auf einen Schlag unglaubwürdig gewesen.
George Ives war es gelungen, ihn zur Vernunft zu bringen und ihn dazu zu überreden, sich auf respektablere männliche Kontakte, beispielsweise den Chaerona-Orden, wo garantiert keine Polizeispitzel zu befürchten waren, zu beschränken.
Für Albie und Sverre war es eine gute Phase gewesen. Solange sie ihre Zeit zwischen den Boheme-Freunden in Bloomsbury und den politischen Idealisten des Order of the Chaerona aufteilten, hatten sie das Gefühl, gehaltvollere Menschen zu sein. Nichts konnte moralisch wichtiger sein, als am Kampf gegen die Sklaverei und den Massenmord teilzunehmen oder George Ives’ politisches Streben nach, wie er das moderne, klinische Wort umschrieb, Entkriminalisierung der hellenistischen Liebe zu unterstützen.
Albies Affäre mit Casement hatte all dies zunichtegemacht. Sverre leckte immer noch seine Wunden. Albie vermutlich auch. Nach einer verzweifelten Phase fruchtloser Aufarbeitungsversuche hatten sie das Thema fallen lassen. Aber keiner hatte Lust gehabt, zum Kreis um George Ives und dem Chaerona-Orden zurückzukehren.
*
Kekopey Ranch, Pennies neues Zuhause am Ufer des Lake Elementaita, lag paradiesisch schön von Hügeln mit niedriger Vegetation umgeben und mit Blick auf den schneebedeckten Gipfel eines Vulkans in der Ferne. Der See besaß eine unwirkliche blaugrüne Färbung, die sich laut Sverre kaum überzeugend wiedergeben ließ. Noch unwirklicher wurde das Bild, wenn große, rosa wogende Wolken über den See heranzogen. Es handelte sich um Flamingos, Hunderttausende, vielleicht sogar eine halbe Million. Die Vögel lebten von den blaugrünen Algen, die dem See seinen seltsamen Schimmer verliehen.
Gal erzählte, in der Gegend gebe es über vierhundert Vogelarten und ein lebenslanges Studium sei erforderlich, um sie auseinanderhalten zu können. Auf den Hügeln um die Ranch herum grasten Zebras, Gnus, Elenantilopen und Gazellen zu Tausenden und lenkten den Gedanken unweigerlich auf den Garten Eden.
Das Wohnhaus erinnerte an den Muthaiga Country Club in Nairobi, aber hier war das Mauerwerk nicht verputzt, und das Dach bestand aus Schilfgeflecht auf hohen Holzrahmen. Auch die Möbel ähnelten dem des Clubs in Nairobi und hätten direkt aus London stammen können.
Auf D’s Vorschlag hin wurde das Willkommens- und Hochzeitsessen in afrikanischer Freizeitkleidung eingenommen: Stiefel, Reithosen und am Hals offene Khakihemden für die Männer, dasselbe, abgesehen von weißen Baumwollblusen statt der Khakihemden, für die Frauen.
Serviert wurde allgemein gelobtes Elenantilopenfilet und dazu ein ungewöhnlich guter Bordeaux, der für diesen besonderen Anlass ebenso weit gereist war wie die Gäste.
So griff Gal in seiner langen Willkommensrede auf, dass sich ein Zuhause in Afrika aus Vertrautem als auch Fremdem zusammensetze, und erzählte dann fast frivol von Penelopes und seinem langen heimlichen Kampf für die Ehe. Wiederholte Male kam er dabei darauf zu sprechen, wie sie über die Korridore des Hotels Negresco gehuscht waren, ständig fürchtend, von Lady Elizabeth oder, vermutlich noch schlimmer, Lady Sophy ertappt zu werden. Und schließlich war es ihnen mit List und Glück gelungen, ihren Traum zu verwirklichen, zusammen nach Afrika zu ziehen.
Er erntete fröhlichen Applaus und Gelächter, auch von Pennies Mutter, die vorgab, schockiert zu sein, weil man sie im Hotel Negresco im jetzt so fernen Nizza hinters Licht geführt hatte, aber auf so übertriebene Art, dass auch ja alle verstanden, dass sie scherzte.
Nach dem Essen begaben sich die Herren in den Salon am Ende des lang gestreckten, eingeschossigen Gebäudes, »um Portwein zu trinken«, wie D mit Fistelstimme und einer ironisch-femininen Handbewegung mitteilte, um durchblicken zu lassen, dass sich ein solches Getränk eigentlich nicht für hartgesottene Gentlemen in Afrika eigne. Die Damen begaben sich in ihren Salon, in dem ein Klavier stand, ein Instrument, das die meisten unter ihnen sicherlich beherrschten.
»Stammt das Personal aus der Gegend?«, fragte Albie unschuldig, als ihm ein Kellner mit weißen Handschuhen seinen ersten Gin
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