Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
Mädchen, das Sie angeblich retten wollen. Sie ist nicht Ihre Tochter, nicht wahr?«
»Nein. Ihre Eltern sind bei dem Wirbelsturm umgekommen, der New Orleans verwüstet hat. Wesen mit sonderbaren mentalen Fähigkeiten haben sie gerettet.«
»Nennen die sie ›Mutter‹ oder ›Verehrungswürdige‹?«
»Ja.«
»Hat eine alte Frau sie berührt, die gleich danach gestorben ist?«
»Ja.«
»Sind an dem Mädchen seitdem ungewöhnliche Fähigkeiten aufgefallen?«
»Woher wissen Sie das alles?«
»Es steht in den von Angus entzifferten Zeichen. Die
Geschichte fängt von vorn an. Man glaubt, es ist zu Ende, aber es geht wieder los. Die Wesen, die sie beschützen, wissen, dass das Blut jenes Mädchens das einzige Gegenmittel gegen das von Kassam geschaffene Virus enthält, deshalb beschützen sie sie. Und da liegt der Grund für meine Frage, Special Agent Parks: Wollen Sie das gleiche Verbrechen begehen wie Gott? Wollen Sie lieber die Menschheit retten oder das Universum?«
»Was würden Sie an meiner Stelle tun?«
»Ich an Ihrer Stelle?« Ein Lächeln verzerrt Ashcrofts Lippen. »Ich würde umgehend zu der Monstrosität zurückkehren, die Sie Ihre Tochter nennen, ihm ein Kissen auf den Kopf legen und so lange daraufdrücken, bis sie aufgehört hat zu atmen.«
»Ich glaube, ich habe für heute genug gehört.«
Maria ist aufgestanden. Sie hat Ashcroft die Morphiumpumpe in die Hand gegeben und geht jetzt rückwärts zur Tür. Es kommt ihr vor, als müsse sie ersticken. Sie muss so schnell wie möglich von hier verschwinden, darf diesen Todesgeruch auf keinen Fall länger einatmen. Sie hält sich die Ohren zu, um Ashcrofts irres Lachen nicht länger mit anhören zu müssen. Er hat sich ein wenig aufgerichtet. Seine Augen quellen hervor, während sich sein abgemagerter Körper anspannt, dass es in den Gelenken knackt.
»Sehen Sie mich an, Special Agent Parks! Ich bin zugleich der Krebs, der das Universum zerfrisst, und das Universum, das vom Krebs zerfressen wird! Sie müssen das Wesen töten, solange es noch nicht zu spät ist. Hören Sie? Sie müssen das Verbrechen Gottes mit dem Blut jenes Scheusals sühnen!«
Maria hat die Tür erreicht. Sie sieht, wie sich Ashcrofts Hand um die Morphiumpumpe krallt. Er injiziert sich deren gesamten Inhalt. Sein Gesicht verzerrt sich. Er lacht. Er bekommt keine Luft, stemmt sich ein letztes Mal hoch,
fällt dann entspannt zurück. Seine Augen sind weit geöffnet. Mit großen glasigen Augen sieht er Maria an. Es sind tote Augen, die das Universum betrachten.
5
Maria steht schwankend im Korridor. Ihr ist übel. Sie merkt, dass sie ihren Stock in Ashcrofts Zimmer vergessen hat. Sie legt sich das Tuch wieder über den Kopf, setzt erneut die Brille auf und hinkt durch die Glastüren, die zum Warteraum führen. Die Lernschwester lächelt ihr zu.
»Alles in Ordnung, Ms. Granger?«
»Danke, ja.«
»Soll ich Ihnen zwei Sessel zusammenschieben, damit Sie es einigermaßen bequem haben, während Sie auf den Bus warten?«
»Ich glaube, ich geh erst mal ein bisschen an die frische Luft. Ich fühle mich nicht besonders gut.«
»Das kann ich verstehen. Vielen Besuchern geht es ebenso. Soll ich Sie begleiten?«
Maria sieht die junge Frau über den Rand ihrer Brille hinweg aufmerksam an. Sie wirkt angespannt.
»Fehlt Ihnen etwas?«
»Wieso?«
»Sie machen einen traurigen und erschöpften Eindruck.«
»Der Dienst ist sehr anstrengend.«
»Nein, es muss etwas anderes sein.«
Maria sieht der jungen Frau in die Augen. Die Lernschwester zwingt sich, langsam und gleichmäßig zu atmen.
»Ich tippe auf eine Herzensangelegenheit. Habe ich recht?«
Die junge Frau entspannt sich wieder und bringt ein schwaches Lächeln zustande.
»Man kann Ihnen offenbar nichts vormachen.«
»Einer alten Frau kann man nichts vormachen.«
»Es hat mit meinem Freund Brett zu tun.«
»Betrügt er Sie?«
»Er will mit mir schlafen.«
»Und Sie wollen nicht? Ist es das?«
»Nicht jetzt, nicht gleich. Sie verstehen, ich bin sehr gläubig und habe vor unserer ganzen Kirchengemeinde gelobt, bis zur Ehe rein zu bleiben.«
Maria hat die Hände auf die Theke gelegt. Unter ihren Fingern spürt sie etwas Klebriges. Ein Rest des Klebstreifens. Erneut blickt sie der Schwester in die Augen, die noch immer angespannt wirkt.
»Haben Sie schon einmal versucht, mit einer anderen Frau ins Bett zu gehen?«
»Wie bitte?«
Die junge Frau ist bei Parks’ Worten kaum merklich zusammengezuckt, hält ihrem Blick aber
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