Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
»Maria lässt jetzt ihren Mantel fallen. Sie hat eine Waffe darunter. Niemand rührt sich, klar?«
Maria sieht durch die dunkle Brille zu den Beamten hin. Kintch und Chen umklammern den Kolben ihrer Schusswaffe. Sie sind nervös. Mulligan fordert sie auf: »Lass jetzt das Magazin fallen, dann nimm die Hand weg, mit der du deine Waffe hältst, und lass dann den Mantel fallen. Einverstanden, Maria?«
»Ich hab Schiss, Mully.«
»Ich weiß. Wir sind da. Du brauchst nichts zu befürchten.«
Marias Stimme wird brüchiger. Mulligan hat sie noch nie so zerbrechlich erlebt. Er hatte Crossman nicht geglaubt, als dieser gesagt hatte, dass sie am Ende sei. Jetzt sieht er es selbst.
»Ihr seid hier, um mich aus dem Verkehr zu ziehen, nicht wahr?«
»Ich schwöre dir, dass das nicht stimmt.«
»Sag es mir doch, Mully. Zumindest das seid ihr mir schuldig, findest du nicht?«
»Wenn wir hier wären, um dich abzuknallen, hätten wir das längst getan. Meinst du nicht auch?«
»Hör endlich auf, mich zum Narren zu halten, verdammter Drecksack. Ihr wartet doch nur darauf, dass ich euch meine Waffe zeige, damit ihr einen Grund habt loszuballern. Das weißt du selbst, Mully, und dir ist klar, dass ich es auch weiß.«
»Maria, niemand hier will dich umbringen. Es geht dir nicht gut. Du bist am Ende. Deswegen siehst du überall Feinde.«
»Ich habe Kinder auf dem Gewissen, Mully. Ich hab die Kleinen in Seboomook vor Hunger krepieren lassen und andere zerstückelt, bevor ich ihre Gerippe in den See geworfen hab. Wenn ich jemanden wie mich vor dem Lauf hätte, würde ich bei der geringsten Bewegung abdrücken.«
»Maria …«
»Aber ich hab auch noch anderes getan, nicht wahr, Mully? Ich hab auch Menschenleben gerettet, stimmt’s? Deshalb will ich nicht so sterben, begreif das doch.«
»Maria, nicht du hast die Kinder von Seboomook auf dem Gewissen. Das weißt du doch selbst.«
»In Rio war es dasselbe. Das Mädchen, das in meinen Armen gestorben ist. All die toten Kinder. Ach, großer Gott, Mully, wenn du ihre Gesichter gesehen hättest.«
»Maria, beruhige dich. Ich komm jetzt zu dir und stell mich zwischen dich und die anderen. Dann lässt du den Mantel fallen, damit ich dich entwaffnen kann.«
Marias Schultern zucken. Mit einem Schluchzen in der Stimme sagt sie: »Mully?«
»Ja?«
»Ich würde gern den Mantel fallen lassen und die Waffe ganz langsam gegen mich selbst richten. Lässt du mich das tun?«
»Wozu, Maria?«
»Einfach, um …«
»Maria, versuch dich doch bitte zu beruhigen.«
»Einfach, um mir den Lauf unters Kinn zu halten. Könntest du das nicht für mich tun?«
»Nein, Maria. Du weißt genau, dass das nicht geht.«
»Ich habe eine Kugel im Lauf. Ich kann vorher das Magazin fallen lassen, wenn du das möchtest. Nur eine einzige Kugel, Mully. Mehr verlang ich nicht.«
»Du brauchst Hilfe, Maria. Lass mich dir helfen. Ich schwöre dir, dass du nichts zu befürchten hast.«
»Darum geht es nicht, Mully. Ich möchte einfach, dass das aufhört.«
»Es wird aufhören, Maria. Ich verspreche es dir, aber ich bin nicht bereit zuzulassen, dass es auf diese Weise aufhört.«
»Bitte, Mully …«
»Nein, Maria. Verlang das nicht von mir. Verlang nicht, dass ich den Rest meines Lebens ständig dies Bild vor Augen hab. Dazu hast du kein Recht!«
Kintch hält Mulligan sein Funkgerät hin und sagt: »Crossman. Er will mit dir sprechen.«
Mulligan sieht zu Maria hin. »Du rührst dich nicht, einverstanden? Ich sag jetzt Kintch, dass er mir das Funkgerät bringen soll. Ich lass dich nicht aus den Augen. Ich will, dass du mich auch ansiehst und mich nicht aus den Augen lässt, klar?«
Maria nickt. Kintch tritt näher, in Chens Schussfeld. Er gibt Mulligan das Funkgerät und sagt zu Maria: »Wir kennen uns nicht so gut, wie du Mully kennst, aber ich weiß, was du für das FBI getan hast. Ich bin ganz seiner Ansicht. Wir dürfen nicht zulassen, dass du das tust.«
»Du kannst mich mal, Kintch. Hast du verstanden? Du hast recht, wenn du sagst, dass wir uns nicht kennen. Du bist hier, um mich abzuknallen, aber ich schwör dir, dass ich dich vorher umlege.«
»Maria, ich bin’s, Mully. Du siehst mich nicht mehr an. Ich möchte, dass du aufhörst, zu Kintch rüberzusehen. Vor allem musst du dich beruhigen.«
Maria sieht langsam wieder zu Mulligan hin. Sie ist von Kopf bis Fuß starr. Es fällt ihr schwer zu atmen. Sie kann nicht mehr. Niemand weiß besser als Mulligan, dass eine so erfahrene Schützin
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