Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
der eigenen Füße befindet, weil sonst...«
»Weiter.«
»Der rechts ist jünger. Um die vierzig, brünett. Stämmig. Er trägt eine Sonnenbrille, einen hellblauen Anzug und unter der linken Schulter eine Automatik Kaliber mm. Das sieht man an den Falten, die seine Jacke an der Stelle wirft.«
»Was schließen Sie daraus?«
»Geheimdienst. Personenschutz des Präsidenten.«
»Fantasieren Sie nicht rum. Bleiben Sie bei den Fakten.«
»Aber es stimmt. Ich bin mit dem Kerl schon mal aneinandergeraten, als es mir dreckig ging. Ich kann Ihnen bestätigen, dass er zum Personenschutz des Präsidenten gehört und Ihnen sogar sagen, wie er heißt. Ralph, oder Rupert, das weiß ich nicht mehr so genau.«
»Ersparen Sie mir die Einzelheiten. Was noch?«
»Mit Ausnahme eines Tisches, an dem es sich ein Paar
in den Klubsesseln gemütlich gemacht hat, ist der Raum leer. Der Mann trägt einen grauen Kaschmirmantel über einem weißen Smoking und die Frau einen Zobelpelz über ihrem Abendkleid. Sie hat eine mehrreihige Perlenkette um den Hals. Vor ihm steht ein Glas Martini mit einer Olive darin, und vor ihr eines mit Champagner, hell wie Wasser. Der Mann hat das Gesicht in die Hände gelegt, und die Frau raucht nervös Zigaretten in buntem Papier. Vermutlich wollen sie noch ins Theater. Ich nehme an, dass sie sich gestritten haben.«
»Gut. Sie können jetzt die Augen wieder aufmachen.«
Maria hatte zu den beiden Männern an der Bar hingesehen. Der links massierte sich unauffällig in der Nierengegend und verzog dabei das Gesicht. Sie hatte dem rechts leicht zugewinkt, was dieser mit einem verlegenen Lächeln beantwortet hatte. Dann hatte sie sich im Raum umgesehen.
»Was die beiden Männer an der Bar angeht, hab ich mich an alles richtig erinnert. Das Paar, das am Tisch gesessen hat, ist nicht mehr da.«
»Was schließen Sie daraus?«
»Dass sie gegangen sein müssen, während ich die Augen zuhatte.«
»Nein, Maria. Sie haben mit äußerster Genauigkeit Larry und Elena Carthrell beschrieben, die früheren Inhaber und Betreiber der Bar. Sie hatten in Spielkasinos und mit Mauscheleien in der Politik ungeheuer viel Geld gemacht.«
»Und?«
»Man hat sie im Oktober 1925 ermordet. Das müsste als Antwort auf Ihre Frage genügen – oder sollen wir den Test auf einem Friedhof fortsetzen?«
4
Maria wendet sich erneut der Akte zu. In den Wochen nach Bishops Tod hatte man acht weitere Opfer gefunden, die unter genau den gleichen Umständen umgekommen waren – einer wie der andere bekannte Archäologen oder Paläontologen im Dienst bedeutender nationaler Museen, Prestige-Universitäten oder privater Stiftungen. Man hatte sie tot in ihrem Büro, auf einem Parkplatz oder auf der Straße aufgefunden, wo sie im Todeskampf niedergesunken waren, die beiden letzten mit weißen Haaren und vom Alter verwüsteten Zügen in der ersten Klasse des Flugzeugs, mit dem sie von einem Wissenschaftskongress aus Thailand zurückkehrten. Bei der Autopsie der Leichen waren die Gerichtsmediziner auf all das gestoßen, was sie bei Bishop entdeckt hatten: die gleichen Aneurysmen, Embolien und Karzinome, und sie waren in sämtlichen Fällen zu derselben Schlussfolgerung gelangt: unerklärbarer Tod durch extreme Beschleunigung des Alterns. Einer der Mediziner hatte nach seiner Unterschrift noch einige Zeilen hinzugefügt. Er hatte unten am Hals der von ihm untersuchten Leiche eine winzige kreisförmige Wunde entdeckt, die infolge der Leichenstarre nach und nach sichtbar geworden war. Um sich Gewissheit zu verschaffen, hatte er eine toxikologische Untersuchung vorgenommen, um festzustellen, ob ein Gift oder eine andere tödlich wirkende Substanz eingeführt worden war. Die Analyse war ergebnislos geblieben.
Maria seufzt. Nichts von all dem, was sie da liest, weist auch nur von ferne auf einen Serienmörder hin. Es gibt weder abgetrennte Gliedmaßen noch durchtrennte Halsschlagadern, nicht einmal eine noch so kleine Wunde. Äußerstenfalls könnte man die vor Angst weit geöffneten
Pupillen der Opfer als Hinweis auf eine Gewalttat werten. Dummerweise lässt aber nichts den Schluss auf Mord zu. Es sei denn... Während sie sich die nächste Zigarette anzündet, flucht sie innerlich auf die New Yorker Polizisten. Die Fahrer mehrerer Autos hatten unmittelbar vor Eintreffen des berittenen Polizeibeamten einen Mann im schwarzen Mantel aus Bishops Auto steigen sehen. Leider hatten sich diese Zeugen erst spät gemeldet, sodass man der Fährte nicht hatte
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