Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie

Titel: Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
Vom Netzwerk:
verschwunden.«
    »Nein. Sie hat nie existiert, und im tiefsten Inneren wissen Sie das auch. Wie heißen Sie?«
    »Maria. Maria Megan Parks. Ich bin am 12. September 1975 in Hattiesburg im Bundesstaat Maine zur Welt gekommen. Meine Eltern hießen Janet Cowl und Paul Parks. Sie wohnten...«
    »Sie enttäuschen mich sehr, Maria.«
    »Großer Gott, ich weiß es nicht mehr.«
    »Doch. Ihre Erinnerungen befinden sich unmittelbar hinter der Scheibe aus undurchsichtigem Glas, die seit dem Unfall zwischen Ihnen und Ihrem Gehirn liegt. Sie ist wie eine Mauer, die nach und nach Risse bekommt.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Was Sie Abgründe nennen, die rötlichen Schluchten, in die zu stürzen Sie so sehr fürchten, ist nichts als Ihre Erinnerung, die nach dem durch den Unfall hervorgerufenen Chaos in Stücke gegangen ist. Auf diese Weise versucht Ihr Gehirn verzweifelt, die verloren gegangenen Bilder wieder zusammenzusetzen. Alles, was es nicht ausfüllen kann, stellt es sich wie einen Abgrund vor. Es liefert Ihnen Gerüche und Geräusche, kann aber nicht zwischen Ihren Visionen und Ihren toten Erinnerungen unterscheiden.«
    Maria atmet mühsam. Sie bekommt nicht genug Luft.
    »Stellen Sie sich jetzt eine schwere Eichentür vor. Ihre Erinnerungen befinden sich dahinter. Den Schlüssel dazu
halten Sie in der rechten Hand. Es ist ein großer, schwerer Metallschlüssel. Er fühlt sich kalt an. Spüren Sie es?«
    »Ja.«
    »Stecken Sie ihn jetzt ins Schloss. Sind Sie bereit?«
    »Ja.«
    »Jetzt drehen Sie den Schlüssel langsam nach links.«
    »Ich kann nicht.«
    »Wovor haben Sie Angst?«
    »Vor Ungeheuern, die dahinter lauern. Ich höre, wie sie am Holz der Tür kratzen. Sie knurren wütend. Sie wollen mich verschlingen.«
    »Dort gibt es keine Ungeheuer, nur Erinnerungen. Drehen Sie den Schlüssel um, Maria.«
    »Schön, ich drehe ihn jetzt um. Metallische Geräusche. Ein Knarren. Ein eiskalter Luftstrom. O Gott, wie dunkel es ist.«
    »Öffnen Sie jetzt die Augen.«
    Maria krümmt sich auf dem Sofa. Sie ist acht Jahre alt. Sie hat Geburtstag. An jenem Abend ist etwas anderes vorgefallen. Etwas, das sie jetzt wahrnimmt, während sie langsam in der Dunkelheit des aufgegebenen Teils ihres Gehirns die Augen öffnet. Sie lässt den Blick durch die Finsternis wandern. Es kommt ihr vor, als dringe aus ihren Augen ein Lichtschimmer, der alles, wohin sie blickt, ein wenig erhellt. Sie sieht auf dem Bildschirm eines eingeschalteten Fernsehers zwei einander gegenüberstehende Sessel und ein altes Sofa mit zerfetztem Bezug. Alles ist von einer Staubschicht bedeckt, die grau ist wie Asche. Vertrocknete Leichen sitzen in den Sesseln. Zwei weitere, die einander auf dem Sofa in den Armen halten, sehen aus leeren Augenhöhlen zu ihr hin. Maria erkennt Stücke von schwarzem Zwirn zwischen den Knochen ihrer Finger. Die Lichtergirlande blinkt. Sie weicht zurück und schlägt sich die Hände vor den Mund.

    »Nur zu, Maria, sagen Sie mir, was an jenem Abend wirklich vorgefallen ist.«
    »Der Schatten des Mörders legt sich um mich. Ich spüre die Muskeln seiner Arme auf meiner Haut. Mein Nachthemd ist an einer Stelle hochgerutscht. Ich versuche, mich zu wehren. Der Mörder nähert seinen Mund meinem Ohr und sagt Pssst. Zigarrengeruch umweht mein Gesicht. Ein anderer Geruch dringt mir durch die Nase in die Kehle, während er mir ein Taschentuch auf die Lippen drückt. Ein starker süßlicher Geruch nach einer Chemikalie, beinahe flüssig, wattig. Ich habe das Bedürfnis zu schlafen. Mir ist sehr kalt. Ich versuche zu schreien, aber das Taschentuch erstickt alle Laute, die aus meiner Kehle kommen. Dann spüre ich einen entsetzlichen Schmerz in meinen Lenden. Wie ein Dolch, der mir zwischen den Nieren in den Leib dringt. Die Kante des Wohnzimmertischs. Ich bin gegen die Kante des Wohnzimmertischs gestoßen. O großer Gott, Sie haben mich an jenem Abend nicht umgebracht.«
    »Natürlich nicht, Maria. Das war nie meine Absicht.«

6
    Daddy sitzt in seinem Sessel, ohne sich zu rühren. Er hat die Finger vor dem Mund ineinandergeschlungen. Sein Gesicht und seine Stimme haben sich verändert, alles andere aber nicht. Weder sein Geruch noch sein Atmen. Der durchdringende Ammoniakgeruch und das langsame Atmen, während er Maria an jenem Abend an seinen Mantel gedrückt hielt.
    »Wie heißt du wirklich, Maria? Was ist der wirkliche Nachname des kleinen Mädchens aus Boston?«
    »Kransky.«
    »Nein. So heißen die Fleischstücke auf dem Sofa. Aber
was war

Weitere Kostenlose Bücher