Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
Falltür am oberen Ende. Sie drückt sie mit der Schulter auf. Jetzt befindet sie sich in der Baracke des Fischers. Es riecht nach Fisch. Netze hängen an den Wänden. Der Raum ist leer. Daddy hat sich schon seit vier Tagen nicht gezeigt. Vermutlich ist er auf der Jagd und inzwischen wohl auf dem Rückweg. Möglicherweise rumpelt sein Wagen schon über den »Seboomook-Express«. Maria zittert vor Hunger, Angst und Kälte. Es wird dunkel.
»Maria.«
»Ja.«
»Sag mir, woran du dich erinnerst, oder ich bring dich um.«
»Ich habe das Haus durchsucht. Ich habe Dörrfleisch gefunden, einen dicken Pullover, der nach Aas roch, und ein Paar riesige Stiefel, die ich mit Jute ausgestopft und angezogen habe. Dann bin ich hinausgegangen. Die Luft war eiskalt. Die letzten Sterne begannen zu verblassen. In diesem Augenblick habe ich gesehen, dass in der Ferne Scheinwerfer durch die Dunkelheit näher kamen.«
»Ein dummer Unfall. Ich hatte achtundvierzig Stunden lang nicht geschlafen. Ich kam aus Agawam, einem verlorenen
Nest an der Grenze zwischen Massachusetts und Connecticut, wo ich zwei Gören eingeladen hatte, Zwillinge, die keine Ruhe gaben und im Kofferraum herumkrakeelten. Ich habe sie daraufhin so mit Mitteln vollgepumpt, dass der eine unter dem Gewicht des anderen erstickt ist. So schnell ich konnte, bin ich durch Vermont und New Hampshire zurückgefahren. Ich hätte ein paar Stunden pausieren sollen, wie es meine Gewohnheit war, bevor ich die Hauptverkehrsstraße verließ, aber ich hatte Sorge, dass euch das Wasser und das Essen ausgehen könnten. Der Unfall ist auf der Höhe von Littleton im Staat Vermont passiert. Wahrscheinlich war ich ein paar Sekunden lang weggedämmert. Ich hatte die Anhalterin an der Kreuzung einfach nicht gesehen, als ich mit den Rädern auf das Bankett neben der Straße geriet. Auch den Polizeiwagen hatte ich nicht gesehen, der ein paar Meter entfernt stand. Die Polizisten haben sofort ihre Lichtorgel eingeschaltet, als das von meinem Auto umgerissene Mädchen gegen ihre Windschutzscheibe prallte. Mein Wagen hat sich gedreht und einen Lichtmast gestreift. Es war zum Kotzen. Es war mir gelungen, mich aus dem Blechhaufen zu befreien und im Schutz der Bäume zu verstecken, bevor die Beamten reagieren konnten. Mir war klar, dass sie früher oder später entdecken würden, was ich im Wagen hatte, und nach einer Anfrage anhand meines Nummernschildes jemanden nach Seboomook schicken würden, um festzustellen, ob es da womöglich noch mehr gefangene Kinder gab. Also bin ich stundenlang zu Fuß in Richtung auf die kanadische Grenze marschiert. Ich war sicher, dass niemand die Falltür zu den Kellergeschossen entdecken würde. Wenn du nicht abgehauen wärest – man hätte euch nie gefunden.«
»Als der Wagen näher kam, habe ich mich in den Schnee gekniet. Ich war zu keiner Bewegung mehr fähig. Ich war sicher, dass Sie es waren. Dann sah ich mit einem Mal über
den Scheinwerfern Blau- und Rotlicht aufblitzen und hörte eine Sirene. Zwei Polizisten in gefütterten Parkas sind ausgestiegen. Sie haben mich in die Arme genommen und Decken um mich gelegt.«
»Es ist deine Schuld, dass sie mir die Kinder fortgenommen haben. Sie haben sie in neue Pflegefamilien in den verschiedensten Staaten gegeben, um ihre Spuren zu verwischen. Sie haben mich gejagt wie ein wildes Tier, meine Beschreibung an alle Polizeieinheiten auf der Erde geschickt. Als Erstes habe ich mir in einer kleinen Tierarztpraxis von Unalakleet in Alaska ein neues Gesicht und eine neue Identität verschafft. Ich habe nun einmal einen Hang zu abgelegenen Orten. Die Operation, die der Tierarzt, dessen Familie ich an einem sicheren Ort eingesperrt hatte, unter örtlicher Betäubung an mir vorgenommen hat, war das reinste Gemetzel. Der Hornochse hat meine Visage derart vermasselt, dass ich eine ganze Woche lang in einem Kabuff gebibbert und Hände voll Beruhigungsmittel geschluckt habe, während ich darauf wartete, dass mein Gesicht wieder einigermaßen hinkam. Zuerst sah ich aus wie das, was von dem Boxer Mickey Rourke nach einem K. o. übrig geblieben war. Dann habe ich den Tierarzt mitsamt seiner Familie umgebracht und bin weiter nordwärts gezogen, bis Point Hope, einen Hafen, der im Winter zufriert. Dort habe ich die Zeit, bis er eisfrei wurde, damit zugebracht, dem Heulen des Windes zuzuhören und an dich zu denken, Maria. An dich und meine anderen Kinder. Im Frühling habe ich mich nach Japan eingeschifft und bin von dort aus nach
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