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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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bemerkt hatten, ergriff die Lust ihre Körper und riss sie fort. Es war kein eleganter Tanz, keine Balz, die sie aufführten, mit der Wucht zweier Bullen, die ihre Hörner oder Geweihschalen messen, krachten ihre Beckenknochen aufeinander, immer wieder, stur, fanatisch, bis Tessa sich aufrappelte und mit wenigen Schritten zu Victors Bett wankte. Sebastian folgte ihr, der Stoß von hinten ließ sie gegen das Holzgitter knallen, über ihr geriet ein Mobile ins Trudeln, sie beugte sich vor, zur Spieluhr, sie musste die Spieluhr hören. Und der Mond ging auf, und die Sterne prangten, doch es gab keinen Wald, in den sie hätte flüchten können, einsame Steppe war es, in der sie miteinander rangen, das Tier hinter ihr blies immer heißeren Atem in ihren Nacken, bis es aufjaulte, tödlich getroffen. Tessa spürte die Wucht des Schusses, der das andere Tier erledigt hatte, alles in ihr zog sich zusammen, auch sie schrie auf, kurz. Zwei Zimmer weiter schlief die Polizeipsychologin.
    Eine Weile harrten sie beide aus, lauschten der Stille, die nur von ihren Herzen punktiert wurde. In einer langsamen und unwiederbringlichen Bewegung glitten sie auseinander. Tessa bückte sich, um ihre Hosen hochzuziehen.
    »Ich muss nach der Katze sehen«, sagte sie, schon an der Tür. »Die Katze hat gestern den ganzen Tag nichts gefressen.«

11
    Der Brief kam am nächsten Morgen. Kommissar Kramer hatte Mara Stein angerufen, die Psychologin hatte Sebastian geweckt, der in Victors Kinderzimmer auf dem Boden eingeschlafen war, Sebastian war zu Tessa gestürmt, die auf der Dachterrasse gesessen, geraucht und dem Sonnenaufgang zugeschaut hatte. Erste Strahlen ließen das Parkett im Wohnbereich aufleuchten, als der Kommissar um halb sechs das Loft betrat und ihnen ein weißes DIN-A4-Blatt hinhielt. Schon von weitem war zu erkennen, dass auf dem Blatt nicht viel geschrieben stand. Tessa sprang auf. Sebastian war schneller als sie, schnappte ihr das Papier vor der Nase weg.
    »Was … das?«, flüsterte er, unhörbar fast.
    Tessa griff nach dem Brief, wollte auch lesen.
    »Nein!« Sebastian drückte das Blatt an sich. »Nein!« Wie ein Kind, das eine Schatzkarte gefunden hat, die kein anderer anschauen darf.
    »Herr Waldenfels«, sagte die Psychologin. »Sie können Ihrer Frau nicht ersparen, den Brief zu lesen.«
    Tessa spürte, wie ihre Finger zu zittern begannen. Es war die dritte Nacht, in der sie nicht geschlafen hatte. Wortlos reichte ihr Sebastian das Papier. Schon wollte sie danach greifen, da zuckten ihre Finger noch einmal zurück. Fragend schaute sie den Kommissar an.
    »Fassen Sie’s ruhig an. Es ist nur eine Kopie«, sagte der.
    Zwei schwarze Zeilen standen auf dem weißen Blatt.
    DU SCHLAMPE HAST DIESES KIND NICHT VERDIENT.
    VICTOR GEHöRT MIR .
    »Frau Simon?« Mara Stein war an Tessa herangetreten. Vorsichtig versuchte sie, ihr den Brief zu entwinden. Tessas Finger waren nicht bereit, sich zu öffnen.
    »Welcher Irre schreibt so etwas?« Es war Sebastians Stimme, ein Krächzen.
    »Es ist ein gutes Zeichen, dass der Entführer reagiert. Ihr Fernsehappell hat gewirkt«, sagte die Psychologin.
    »Gut? Was ist daran gut?« Sebastian sprach wie ein Mensch, der so sehr schreien wollte, dass er nur noch flüstern konnte.
    »Es heißt, dass der Entführer den Kontakt zu uns sucht. Das ist die eigentliche Botschaft, ganz gleich, was er in dem Brief schreibt. Er will, dass wir uns mit ihm auseinander setzen.«
    »Hören Sie auf! Hören Sie auf mit diesem Scheiß!«, brach es aus Sebastian heraus.
    Sein Brüllen ließ Tessa aus ihrer Starre erwachen. »Er hat Recht. Ich habe Victor nicht verdient.« Sie sprach sehr langsam, als müsse sie jedes Wort von weit her holen. Sie schaute noch einmal auf den Brief. »Ich habe Victor nicht verdient.«
    »Das ist nicht wahr.« Die Psychologin fasste nach ihrer Hand.
    »Ich habe Victor nicht verdient.« Tessa schaute Mara Stein an. Die Wahrheit des eben Gelesenen ließ ihr Gesicht leuchten. »Ich habe Victor nicht verdient.« Sie konnte nicht aufhören, den Satz zu wiederholen. »
Ich habe Victor nicht verdient

    »Frau Simon. Sshhhhh …« Die Psychologin legte den Arm um Tessas Schulter und führte sie zum Sofa zurück. »Sshhhhh …«
    »Ich halte den Brief in der Tat für ein gutes Zeichen«, sagte der Kommissar ruhig. »Er verrät uns, dass es der Entführer nicht darauf abgesehen hat, Victor zu schädigen. Im Gegenteil, er scheint um sein Wohl besorgt. Und das ist eine sehr beruhigende

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