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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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langsam das Foyer. Mit der rechten Hand schob sie einen Rollständer, aus einem Beutel sickerte klare Flüssigkeit in ihren Arm. Alle paar Schritte blieb sie stehen und stöhnte.
    Der Blumenladen rechts von Tessa war noch geschlossen. Ein dürrer Greis, gelber Bademantel, verwaschene Jogginghosen, billige Badelatschen, kam aus dem Laden gegenüber, blieb stehen, schaute sich um, sein zahnloser Kiefer malmte Unverständliches. Er faltete die Zeitung, steckte sie unter den Arm, als sei dieser etwas, das nicht mehr wirklich zu seinem Körper gehörte, hustete und schlurfte durch eine Schwingtür ins Innere des Krankenhauses.
    Tessa stand auf. In großen Stapeln lagen die Tageszeitungen vor der Ladentheke.
    Gebt dieser Frau das Kind zurück!
    Daneben das Foto von Victors Taufe. Auf dem Tessa das cremefarbene Kleid anhatte. Mit den dreitausend aufgenähten Perlen und Glassteinchen. Tessa streckte ihre Hand aus, öffnete das Blatt. Ein Foto von ihr beim Joggen, das irgendein Paparazzo vor einer Weile geschossen haben musste. Das
Now!
-Cover aus der Zeit ihrer Schwangerschaft. Ein Foto vom Wald.
    »Hier sind Sie.« Der Kommissar lächelte. »Wir müssen rauf in den dritten Stock.«
    »Sofort.« Tessa faltete die Zeitung wieder zusammen und nahm je ein Exemplar von den anderen Zeitungsstapeln, die es noch gab. Die Frau hinter der Ladentheke starrte sie an, als sie das Portemonnaie öffnete und ihr einen Zehn-Euro-Schein hinhielt.
    »Stimmt so«, sagte sie und folgte dem Kommissar, der den Laden bereits wieder verlassen hatte. Beinahe wäre sie gegen den gelben Briefkasten gerannt, der neben dem Kiosk stand.
    Ihr eigener Schädel grinste sie an. Von vorn. Von der Seite. Es war lange her, dass sie zum letzten Mal Röntgenbilder ihres eigenen Schädels betrachtet hatte.
    Der Rechtsmediziner machte einen Schritt nach links, um die Aufnahmen ihres in Scheibchen geschnittenen Hirns, die gleichfalls an dem Leuchtkasten hingen, zu studieren. »Die Anamnese spricht für das Vorliegen einer Commotio«, sagte er. Er hatte eine angenehme Stimme. Leise. Weich. Er hob das Diktiergerät und drückte einen Knopf. »Allerdings keine Anzeichen für epi- oder subdurale Hämatome.«
    Der Kommissar lehnte an der Wand neben der Tür, ein Bein über das andere geschlagen, die Arme vor der Brust verschränkt, und schaute ebenfalls auf den Leuchtkasten. Er stand dort wie ein erfahrener Vater, der seine Frau bei der siebten Schwangerschaft zum Arzt begleitete.
    »Was heißt das?«, fragte Tessa.
    Der Rechtsmediziner hatte das Diktiergerät wieder abgeschaltet. Er war jung, höchstens Ende dreißig, ein zarter Mann mit dunklen Haaren und Nickelbrille. In einem anderen Jahrhundert hätte man ihn als Jüngling bezeichnet.
    »Dass Sie sich erst einmal keine Sorgen machen müssen. Mit Ihrem Kopf ist alles in Ordnung.« Er lächelte ihr aufmunternd zu. »Können Sie mir bitte noch einmal genauer beschreiben, wie es zu dem Schlag gekommen ist?«
    »Ich weiß es nicht genau. Ich bin gelaufen, nicht sehr schnell, ich habe mich wohl gerade nach vorn gebeugt, um Victor zu beruhigen – Victor hat immer wieder geweint –, und dann habe ich diesen Schlag gespürt, und alles ist schwarz geworden.«
    Der Rechtsmediziner hatte interessiert zugehört und nickte immer noch. »Das heißt, dass Sie eine Weile bewusstlos waren.«
    »Ja.«
    »Können Sie irgendwie rekonstruieren, wie lange das war?«
    »Ein paar Minuten. Vermute ich. Ich habe vorher ja nicht auf die Uhr geschaut.«
    Der Rechtsmediziner nickte wieder. »Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich mir jetzt gern die Wunde an Ihrem Kopf anschauen.«
    »Bitte.« Tessa senkte den Kopf, die Haare fielen ihr ins Gesicht, während der Rechtsmediziner an sie herantrat. Sie spürte, wie er mit behutsamen Fingern das kleine Gazestück löste, das der Rettungssanitäter ihr gestern auf die Wunde geklebt hatte. Seine Fingerspitzen teilten die Haare an ihrem Hinterkopf. Ein ungewollter Schauer lief ihr den Rücken hinab.
    »Geht das?«
    »Ja.«
    Sein weißer Kittel roch frisch gestärkt. Das Diktiergerät begann wieder zu surren.
    »Oberflächliche, längliche Riss-Quetsch-Wunde oberhalb der Hutkrempenlinie, Verlauf seitlich hoch-parietal. Mit leichter Blutung nach außen.« Er machte einige Schritte zur Seite. »Jetzt keinen Schreck kriegen«, sagte er, als er wieder bei ihr war. »Ich lege einen Maßstab an die Wunde an, das kann etwas kalt sein. Meine Kollegin macht dann eine Aufnahme.«
    »Einen

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