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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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brauste Tessa auf.
    Ein Sonnenstrahl traf das Gesicht des Kommissars, die Bernsteinsprenkel blitzten auf. »Sie sind doch auch ins Bad gegangen, weil Sie wissen wollten, mit wem er so plötzlich telefonieren musste.«
    »Das ist nicht wahr«, sagte Tessa. »Ich war nur auf der Toilette.« Ein leichter Schwindel erfasste sie. Die Hitze war unerträglich.
    »Hat Ihr Mann oft Affären?«, hörte sie die Stimme des Kommissars, als sie bereits die Schwelle zum Arbeitszimmer erreicht hatte.
    Sie drehte sich noch einmal um. Der Bernstein in seinen Augen war erloschen.
    »Mein Mann ist treu.«
    Am Nachmittag hatte der Regen begonnen. Tessa lag auf dem Fernsehsofa.
Die Natur spinnt, dachte sie. Es hätte schon viel früher gewittern müssen.
    »Tessa.« Sebastians Stimme war leise. Seine Haare klebten am Kopf, von seinem Hemd tropfte es auf den Boden. Eben erst war er nach Hause gekommen. Allein.
    »Carola hat Victor nicht entführt.«
    Sie spürte die Gewichtsverschiebung auf dem Sofa, als Sebastian sich setzte. Ihr Bein zuckte zurück, als er es streicheln wollte. Er stand wieder auf und ging im Zimmer umher.
    »Begreif doch. Es … es hat nichts bedeutet … Carola wollte Victor einfach nur ab und zu sehen.«
    Die Polster des Sofas verschluckten ihre Schreie. Tessa warf sich herum. »
Ab und zu sehen
?
Ab und zu sehen
? Du hast deine verdammte Ex mit meinem Sohn Mama spielen lassen?«
    Die Szene, die sie vor langer Zeit einmal im Theater gesehen hatte, tobte wieder durch ihren Kopf, aus dem gnädigen Winterschlaf gerissen, in den Tessa sie versetzt hatte. Sebastian mit den zwei Frauen. Glücklich, keine Entscheidung treffen zu müssen.
Eine Wohnung! Ein Bett! Und ein Grab!
    »Ich weiß, dass es nicht richtig war.« Er fuhr sich über das zerfurchte Gesicht. »Ich hätte es dir sagen müssen. Es war ein Fehler. Aber –« Er machte eine weitere hilflose Geste. »Am Anfang war ich sicher, ich würde es schaffen. Carola würde mir gleichgültig werden irgendwann. Aber ich habe es nicht ausgehalten zu sehen, wie schlecht es ihr geht.«
    »Und deshalb hast du weiter mit ihr geschlafen?« Tessa hatte es nicht sagen wollen. Die Anschuldigung war ihr schneller aus dem Mund gerutscht, als sie sich kontrollieren konnte. »Du hast mit deiner Ex geschlafen, weil du nicht
ausgehalten
hast, wie
schlecht
es ihr geht?«
    »Ich kann einen Menschen, mit dem ich fünfzehn Jahre geteilt habe, nicht einfach so ablegen«, sagte Sebastian nach einer Pause. Einen Moment versöhnte es Tessa, dass er nicht log, dass er es nicht leugnete, dann kam die nächste Wut wie ein Krampfanfall.
    »Um dein Scheißgewissen zu beruhigen, fickst du deine Alte und machst alles kaputt?« An seinem Gesicht sah sie, dass sie ihn getroffen hatte. »Nichts – nichts wäre passiert, wenn du mir damals die Wahrheit gesagt hättest«, fügte sie kalt hinzu.
    Er schaute sie nicht an, sein Blick war starr auf den Kerzenhalter gerichtet, seine Hand nur noch weiße Knöchel und Haut.
    »Erinnerst du dich an die verdammte Mail, die Carola dir damals geschrieben hat? Die Candida? Die Brutstätte? Das Gnadenbrot?«
    Sie konnte an seinen Augen ablesen, dass er nicht begriff, wovon sie sprach. Sie sollte aufhören. Sofort.
    »Nach meiner ersten Sendung mit der Behrens? In der Nacht, in der wir Victor gemacht haben? In der ich nicht wollte, dass du einen Gummi benutzt?«
    Es gab kein Zurück. Die Wahrheit wollte heraus wie ein Nierenstein.
    Noch war es Verwirrung, nicht Erinnerung, die über Sebastians Gesicht zog. »Was redest du? Wir haben Victor auf der Dachterrasse gezeugt«, sagte er. »An diesem wunderschönen Morgen, auf dem Liegestuhl, den ich damals gerade –«
    »Nein, wir haben Victor nicht auf dem verdammten Liegestuhl gezeugt. Wir haben Victor gezeugt, weil ich herausfinden wollte, ob ich mich mit der verdammten Candida anstecke, die du dir bei deiner verdammten Ex-Schlampe geholt hast.«
    Lange stand er ganz still. Seine Finger spielten mit dem heruntergelaufenen Wachs, das sie vom Kerzenhalter geschält hatten. Dann, ganz plötzlich, legte er die Kugel beiseite, als sei sie etwas Kostbares, auf das er später zurückkommen wollte, drehte sich um und verließ die Wohnung. Tessa sank aufs Sofa zurück. Der nasse Fleck dort, wo er gestanden hatte, würde von selbst trocknen.
    Seit Monaten war sie nicht mehr im Keller gewesen. Wenn sie es recht bedachte, war sie überhaupt nur ein einziges Mal, beim Einzug, hier unten gewesen. All die anderen Male, wo es Stühle,

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