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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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allgemeine Sehnsucht, daran teilzuhaben, wenn ein banales Leben durch einen ungewöhnlichen Tod doch noch Bedeutung erhielt.
    Wie groß wäre das Blumenmeer, und wie lange würde es sich halten, wenn ich in diesem Wald erstochen würde?
Die Frage beschäftigte Tessa jedes Mal, wenn sie an dieser Stelle vorbeikam. In Interviews und Fragebögen hatte sie mehrfach gesagt, dass sie nur weiße Blumen mochte. Lilien. Calla. Notfalls Rosen. Sebastian würde dafür sorgen, dass an ihrem Kreuz nur weiße Blumen lagen.
    Der Wald war jetzt sehr dicht, sodass fast kein Licht mehr durch die Blätter drang. Obwohl sie schwitzte, verspürte Tessa ein Frösteln. Sie hätte die wärmere Joggingjacke anziehen sollen.
    Sebastian würde in seine alte Wohnung zurückkehren. Nie würde er im Loft wohnen bleiben, wenn sie starb. Es hatte auch gar keinen Sinn. Dass er allein in den dreihundert Quadratmetern weiterlebte.
    Zwischen ihren Beinen begann es zu brennen. Einbildung. Sie hatte sich heute Morgen gründlich mit dem Handspiegel untersucht und keine Rötung, keinen Belag entdeckt. Aber was bewies das? Wie hatte sie die Tatsache, keine Candida bekommen zu haben, beruhigen können? Keine Candida bewies nur: keine Candida. Gute Abwehrkräfte. Wenn Carola Sebastian eine Mail schrieb, in der stand, dass sie noch miteinander schliefen, schliefen sie noch miteinander. Alles lief darauf hinaus.
    Ihr Puls raste, ihr Gesicht brannte, als Tessa im offenen Teil des Parks ankam. Sie zwang sich, ihre Schritte zu bremsen und die letzten hundert Meter zu ihrem Wagen zu gehen. Am Haupteingang schleppten die ersten Familien ihre Picknickkörbe über den Rasen.
    Sebastian stand in der Küche und presste frischen Orangensaft, als Tessa verschwitzt und noch immer rot im Gesicht nach Hause kam.
    »Ich dachte schon, du wärst entführt worden«, sagte er und kippte den Saft in eine Glaskaraffe.
    »Würde dich das glücklich machen?«
    »Ich würde den Kerl umbringen.« Sebastian hielt die frisch rasierte Wange in ihre Richtung.
    »Ich bin total verschwitzt. Lass mich schnell unter die Dusche.«
    Im Bad roch es noch Sebastians Aftershave. Das Wasser, das aus dem breiten Duschkopf kam, war heiß, das Duschgel erinnerte an Sommer und Strand. In der Küche hörte Tessa Sebastian pfeifen. Gleich würden sie auf der Dachterrasse frühstücken. Es würde Obstsalat geben. Und Lachs. Und frische Brötchen. Was war dabei, wenn Sebastian mit Carola schlief? Er war hier. Bei ihr. Es bedeutete nichts.
    Tessa trocknete sich ab und zog ihren Kimono an. Barfuß ging sie die Treppe hinunter. Dort, wo die Sonne durch die Scheiben fiel, waren die Schieferplatten, mit denen der ganze Küchenbereich ausgelegt war, warm. Tessa musste an die Zeit denken, in der sie mit dem Architekten über den Plänen gesessen hatten.
Können wir die Wand nicht auch noch rausnehmen? Und die Treppe zur Galerie muss unbedingt ein mattes Metallgeländer bekommen
. Bis nach Portugal waren sie geflogen, um die richtigen Kacheln fürs Bad zu finden. (Die billige Pension, in der nachts das Bett zusammengebrochen war.) Die endlosen Diskussionen, die sie über die Wasserhähne und die Form der Wanne geführt hatten. Das, was zwischen Sebastian und ihr entstanden war, war größer als Verliebtheit.
    Die Küche war verwaist, also ging Tessa wieder nach oben. An der Schwelle zur Dachterrasse blieb sie stehen. Sebastian hatte den Tisch gedeckt. Aber es war nicht der leichte Alutisch, der gestern Abend noch dort gestanden hatte, sondern Teakholz. Die Stühle waren nicht mehr die transparenten blassgelben, deren Form entfernt ans Rokoko erinnerte, sondern ebenfalls aus Teakholz. Und die beiden Deckchairs, die neben dem neuen Tisch und den Stühlen standen, hatte Tessa auch noch nie gesehen.
    »Was ist das?«, fragte sie.
    Sebastian, der damit beschäftigt war, ein Leinenpolster an dem zweiten Deckchair festzubinden, blickte auf. »Das sind die Gartenmöbel, von denen ich dir erzählt habe. Die bei meinen Eltern im Tessin auf der Veranda gestanden haben.«
    Tessa ging hinaus und ließ sich auf einen der vier Stühle fallen. Prüfend strich sie über die Armlehnen. »Und wo sind meine Stühle?«
    »Ich hab sie in den Keller gebracht. Gefallen sie dir nicht?«
    Tessa strich noch einmal über die Armlehnen. »Doch. Doch. Sie sind wunderschön. Vor allem so einen Deckchair wollte ich schon immer haben.«
    Sie hatte den Alutisch und die Plexiglasstühle extra für die Dachterrasse gekauft. Sebastian hatte sie nicht

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