Die Brut
sprang auf und eilte die Stufen zur unteren Etage hinab. Die Frage, ob er wirklich vom Chiropraktiker kam, wehrte sie ab wie einen Moskito, um den man sich gerade nicht kümmern kann, weil man einem Säbelzahntiger gegenübersteht.
»Sorry, ich kann nichts dafür«, sagte sie, noch auf der Treppe, »meine verdammte Schwester hat ihn einfach vor die Tür gestellt.«
Einmal, ganz zu Beginn ihrer Beziehung, als sie geglaubt hatte, schwanger zu sein, hatte sie mit Sebastian über Kinder gesprochen. In der Nachwuchs-Frage hatte er sich ebenso unenthusiastisch gegeben wie sie.
Jetzt beugte er sich jedoch mit einem Lächeln über das Körbchen. »Einfach ausgesetzt von der Mama«, sagte er und kitzelte Curt am Bauch. »Aus dir wird später mal ein Held, was?« Der Kleine schlug begeistert in die Rasselkette, die im Henkel des Körbchens gespannt war.
Bevor Tessa es richtig begriff, hatte Sebastian Curt an seine Schulter gehoben und schunkelte ihn sanft. Seine Nase näherte sich dem Hinterteil des Säuglings. Er verzog das Gesicht.
»Ich glaube, wir sollten seine Windeln wechseln.«
»Wir?« Tessa war immer noch nicht sicher, ob sie begriff, was sie sah. Sie war die beiden letzten Stunden hilflos um das Körbchen geschlichen, hatte sich fast nicht getraut, ihren Neffen von der Decke zu befreien, und nun stand Sebastian mit dem Kleinen da, als habe er im vorherigen Leben das Mutterkreuz getragen.
»Aber wir haben doch gar keine Windeln«, war alles, was ihr einfiel.
»Da im Korb ist eine«, sagte Sebastian und ging mit Curt die Treppe zum großen Bad hinauf.
Tessa blinzelte. Die Sonne schien wie ein psychedelischer Pfannkuchen. Woher um alles in der Welt wusste Sebastian, wie man einen Säugling wickelte?
Mein Beruf ist mir so wichtig
, hatte er damals gesagt,
da ist beim besten Willen kein Platz für Kinder.
Hatte er gelogen? Gab es irgendwo da draußen einen kleinen Waldenfels, von dem sie nichts ahnte?
Sie schloss die Augen. Die Sonne hörte nicht auf, sie auszulachen.
Wenn es im
Sunshine-State
einmal gewitterte, dann richtig. Feli sah aus, als ob man sich an jedem ihrer Million Korkenzieherlöckchen einen Stromschlag holen könnte.
»Das sind doch alles Wichser«, tobte sie. »Warum schreiben die in ihre verdammte Anzeige nicht rein, dass sie keine Sängerin suchen, sondern eine verdammte Springmaus?«
»Und warum setzt du den Kleinen bei mir ab, nachdem ich ausdrücklich
nein
gesagt habe?«, tobte Tessa zurück.
»Mein Gott, dir bricht kein Zacken aus der Krone, wenn du mir auch mal einen Gefallen tust.« Jetzt erst schien Feli Sebastian zu bemerken. Und Curt, den dieser auf dem Arm hielt.
»Hi«, sagte sie. Tessa fand, dass es eher nach
fick dich
geklungen hatte.
»Hallo«, antwortete Sebastian freundlich. Feli und er waren sich noch nicht oft begegnet. »Das muss hart sein, sich in diesem Musikbusiness zu behaupten.«
Feli stieß einen unartikulierten Laut aus. Curt patschte dem Mann, der ihn die letzte Stunde so liebevoll gehütet hatte, gegen die Nase.
»Das ist ja so ein süßes Kind«, sagte Sebastian unverändert freundlich. »Ich habe ihn vorhin sauber gemacht und gewickelt, ich hoffe, das war in Ordnung.«
»Ist schon okay. Zu Hause mach ich das dann richtig. – Das Bad war oben?«, wandte Feli sich abrupt an Tessa.
»Du kannst auch das Gästeklo hier unten benutzen«, sagte Tessa und zeigte auf die Tür, die zum hinteren Flur führte.
Feli schnappte sich ihr Kunstledertäschchen mit der applizierten Pistole und verschwand ohne weiteren Kommentar.
»Sorry, dass du an deinem einzigen freien Tag diesen ganzen Stress mitmachen musst«, sagte Tessa, als sie mit Sebastian allein war. Sie ging zu ihm und gab ihm einen Kuss. Sie fand, dass Curt immer noch den süßlich-fauligen Geruch verrottender Äpfel verströmte.
»Das ist doch kein Problem. Jeder hat mal einen schlechten Tag.«
»Aber nicht jeder führt sich so auf.«
Von nebenan ertönte ein lautes Klirren, als ob Glas zerbrochen wäre.
»Jetzt reicht’s.« Tessa marschierte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, bevor Sebastian versuchen konnte, sie aufzuhalten.
»Alles in Ordnung?«, rief sie, als sie die Tür zum Gästebad erreicht hatte.
»Alles cool«, hörte sie die Stimme ihrer Schwester.
»Soll ich den Staubsauger holen?«
»Nee, ist alles okay.«
Einem Impuls folgend – Familieninstinkt? – drückte Tessa die Klinke. Sie wusste, dass die Tür nicht verriegelt sein konnte. Der Schlüssel klemmte, seitdem
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