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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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nach einer ziemlich neuen Methode mit ziemlich kompliziertem Namen zur Welt gebracht hatte.
    »Sie meinen Misgav-Ladach? Bestimmt. Diese Methode hat sich eigentlich in jeder guten Klinik durchgesetzt.«
    »Und dieser Kaiserschnitt ist wirklich schonender?«, hakte Tessa nach.
    »Der Vorteil im Vergleich zu der herkömmlichen Sectio ist der viel kürzere Schnitt, der gemacht wird. Haut, Bindegewebe et cetera werden bei Misgav-Ladach nur sehr vorsichtig mit dem Skalpell eröffnet. Die Erweiterung des Operationsfeldes erfolgt dann stumpf, also durch Aufdehnen, nicht durch weitere Schnitte.«
    »Und wieso soll das besser sein als ein klarer Schnitt, der groß genug ist, das Kind herauszuholen?«, fragte Tessa, etwas verwirrt. Sie dachte an das kleine Loch, das sie neulich im Bettlaken gehabt hatten. Nachts musste sich Sebastian oder sie selbst mit den Zehen darin verfangen haben, am nächsten Morgen waren sie auf einem in viele Richtungen zerfetzten Laken erwacht.
    »Durch das Aufdehnen öffnet sich das Gewebe vor allem an den Stellen, die den geringsten Widerstand bieten. Die Struktur des Gewebes wird also insgesamt geschont, größere Blutgefäße werden nur selten verletzt. Dementsprechend verläuft der anschließende Heilungsprozess wesentlich rascher.«
    Erweiterung des Operationsfeldes. Aufdehnen
. Es fiel Tessa schwer zu glauben, dass diese Dinge etwas mit ihr zu tun haben sollten. Vielleicht ließ sich das Kleid doch so umarbeiten, dass sie es auch noch tragen konnte, wenn sie nach der Entbindung ihre normale Figur wieder hatte. Am besten, sie sprach mit der Schneiderin gleich darüber.
    Verdammt.«
    Tessa hatte es kommen sehen. Wie ihr linker Handrücken die volle Tasse, die auf einem Stapel Bücher stand, streifte, wie die Tasse ins Trudeln geriet, auf der einen Seite leicht abhob, sich neigte, fiel und ihren Inhalt über den Schreibtisch ergoss. Ihre Reflexe hatten nicht gereicht, die Rooibostee-Katastrophe zu verhindern.
    »Verdammt.«
    Die Bücher sahen aus, als ob sie jahrelang unter einer rostig lecken Wasserleitung gelegen hätten, die Mappe mit den Interviews für die morgige Sendung – Deutschlands beliebtester Sportmoderator – war braun durchweicht.
    »Verdammt. Verdammt.«
    Tessa wollte gerade aufstehen, ins Bad gehen und ein Handtuch holen, um zurück zu sein, bevor sich der Tee einen Weg an die Schreibtischkante gebahnt hatte, als das Telefon klingelte. Sie schnappte sich den Hörer und klemmte ihn zwischen Ohr und Schulter.
    »Ja?«
    Nichts.
    »Hallo?«
    Es gab ein schwerfälliges Atmen, und Tessa legte auf.
    Hitze stieg ihr ins Gesicht.
Was sollte der Unfug?
Vor Tagen hatte sie zwei Schweigeanrufe auf ihrer Handy-Mailbox gehabt. Sie hatte ihnen keine weitere Bedeutung beigemessen.
    Tessa stand auf. Sie würde sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Nicht heute Abend. Heute war sie stark. Es war ihr peinlich, dass sie sich neulich unter den Tisch verkrochen hatte. Sebastian war rücksichtsvoll genug gewesen, das Thema nicht noch einmal anzusprechen. Sie konnte sich selbst nicht erklären, was sie dazu getrieben hatte. Vielleicht war sie eins der Kinder gewesen, die sich bei Gewittern unter Tischen versteckten. Elena hatte ihr gesagt, dass es gut passieren könne, dass jetzt Dinge aus der Kindheit in ihr hochkamen, die sie seit Jahrzehnten vergessen hatte. Wenn sie ihren Vater das nächste Mal anrief, würde sie ihn danach fragen.
    Als Tessa mit dem Handtuch zurückkam, rieselte der Tee bereits als dünner Vorhang aufs Parkett hinab. Das Telefon klingelte wieder.
Nummer unbekannt
. Diesmal nahm sie schon nach dem ersten Klingeln ab.
Trillerpfeife
, fiel ihr ein, bevor sie den Hörer am Ohr hatte.
Die Polizei empfiehlt Trillerpfeifen
. Das Problem war nur, dass sie keine Trillerpfeife hatte.
    Am anderen Ende begann es zu atmen.
    Auf keine Diskussionen einlassen! Dem Perversen kein Futter geben!
    Aber sie musste etwas sagen. Es konnte nicht sein, dass ein Irrer schon zum zweiten Mal durch den Hörer in ihre Wohnung eindrang.
    »Fick dich!«, brüllte sie. Dem Anrufer musste das Trommelfell dröhnen. »Wenn du Arschloch noch einmal anrufst, geh ich zur Polizei.« Sie beendete das Gespräch und trauerte den Zeiten nach, in denen man den Telefonhörer noch auf Gabeln knallen konnte.
    Erleichtert atmete sie aus. Das hatte sie gut gemacht. Nicht zu viel gesagt. Nicht hysterisch gewesen. Der Spinner würde sich nicht trauen, noch einmal anzurufen.
    Beim Zähneputzen begrüßte sie das Zahnfleischbluten

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