Die Brut
ihm.«
Doch, ich habe mir das gut überlegt«, wiederholte Tessa ruhig, als sie Doktor Goridis wenige Tage später an deren Schreibtisch gegenübersaß, »ich will einen Kaiserschnitt.«
Die Ärztin schaute sie an. »Ihnen ist aber schon klar, dass aus medizinischer Sicht eine Sectio kaum indiziert sein wird.«
»Haben Sie mir nicht gesagt, dass mein Sohn groß und schwer ist?«
»Na, ein Wurm ist er nicht gerade.« Die Ärztin warf einen Blick in Tessas Mutterpass, in dem auch die Ultraschallbilder lagen. »Aber noch bewegt sich alles im Rahmen.«
»Trotzdem. Ich will einen Kaiserschnitt.«
»Haben Sie schon mit Ihrer Hebamme darüber gesprochen?«
»Natürlich ist sie dagegen. Sie kennen doch Elena. Die würde jede Frau, die einen Kaiserschnitt will, am liebsten zur sanften Geburt nach Sibirien schicken.«
Die Ärztin lächelte. »Elena kann in dieser Frage etwas radikal sein, ja.«
»In Amerika werden vierzig Prozent aller Kinder per Kaiserschnitt geboren. Ich verstehe nicht, warum nur hierzulande jeder so tut, als ob man ein Unmensch wäre, wenn man sein Kind auf diese Weise bekommen will.«
»Mit Unmensch hat das gewiss nichts zu tun«, sagte Doktor Goridis, nun wieder ernst. »Aber ich muss auch zugeben, dass mir dieser Trend, wo die Sectio regelrecht zum
Lifestyle
erklärt wird, nicht gefällt.«
Tessa holte Luft, um etwas zu erwidern, die Ärztin kam ihr zuvor.
»Wenn Sie sich allerdings aus persönlichen Gründen für eine Sectio entscheiden, spricht aus meiner Sicht nichts dagegen.«
Tessa machte den Mund wieder zu. Mit voller Kraft hatte sie sich gegen eine Tür werfen wollen, die in Wahrheit nur angelehnt war.
»Gut«, sagte sie, etwas überrascht ob des plötzlichen und einfachen Sieges. »Gut … Würde der Kaiserschnitt denn an demselben Tag sein, den Sie als Geburtstermin errechnet haben?«
»Das muss der operierende Arzt entscheiden. Normalerweise setzt man den Eingriff zehn bis vierzehn Tage früher an, um nicht zu riskieren, dass die Wehen bereits begonnen haben.«
»Verstehe.«
Tessa zog ihren dicken Timeplaner aus der Handtasche. Sie durfte nicht vergessen, nachher ihre Schneiderin anzurufen. Diese hatte ein wunderbares Kleid für sie entworfen. Schwarzer Seidentaft. Ärmellos. Am Rücken wurde es wie eine Corsage geschnürt. Und zwischen Ober- und Unterteil gab es einen Schlitz, der einen Streifen Bauch frei ließ. »Meine letzte Sendung ist am 23. Mai. Dann würden sich also die ersten Juni-Tage anbieten?«
Wieder schaute Doktor Goridis in den Mutterpass. »Ich denke, dass man sich für einen Termin um den fünften Juni herum entscheiden würde. Man will ja auch keine künstliche Frühgeburt herbeiführen.«
Tessa machte einen Kringel um die Woche des fünften Juni und klappte den Kalender wieder zu. Hoffentlich wurde es bald wärmer. Es wäre ein Jammer, wenn sie das Kleid vor der Geburt nicht mehr tragen könnte. Nach der Geburt war es wertlos.
»Können Sie die Operation selbst durchführen?«
»Hier in unserer Praxis sind wir für einen solchen Eingriff absolut nicht ausgestattet. Außerdem habe ich schon seit Jahren nicht mehr operiert. Ich würde Ihnen die Becker-Klinik empfehlen. Doktor Fraas ist einer der führenden Ärzte in Sachen Kaiserschnitt.«
Die Ärztin zog eine Schreibtischschublade auf, nach wenigen Handgriffen hielt sie Tessa eine Visitenkarte hin. »Ich würde Ihnen raten, sich bald mit der Klinik in Verbindung zu setzen. Es kann sein, dass sie sehr ausgebucht sind.«
Tessa drehte die Karte aus schwerem, lindgrünen Papier in der Hand.
»Doktor Fraas wird Sie dann auch über die Risiken bei einer Sectio aufklären«, redete die Ärztin weiter. »Wenn Sie jetzt schon Fragen haben, können Sie die natürlich auch mir stellen.«
»So ein Kaiserschnitt wird doch unter Vollnarkose gemacht?«
»Nicht unbedingt. In letzter Zeit entscheidet man sich eigentlich eher für eine Peridural- oder Spinalanästhesie. Gegenüber der Vollnarkose haben diese lokalen Anästhesieverfahren den Vorteil, dass Sie die Geburt bewusst miterleben können.«
Tessa nickte. »Ich könnte aber auch eine Vollnarkose haben.«
»Solche konkreten Fragen müssten Sie mit Doktor Fraas und dem zuständigen Anästhesisten besprechen.«
»Wissen Sie, ob die in der Becker-Klinik Kaiserschnitte schon nach dieser israelischen Methode durchführen?« Erst vor wenigen Tagen hatte Tessa in einer Zeitschrift einen Artikel darüber gelesen, dass ein berühmter Popstar auch sein zweites Kind
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